Brann 02 - Blaue Magie
Verschlüssen des Kleidungsstücks zu nesteln. »Ich habe Talismanen nie viel Beachtung geschenkt, man kennt keine eigens gegen sie gerichtete Abwehrmöglichkeiten, man kann sich nicht besonders gegen sie schützen, was wäre also der Sinn gewesen? BinYAHtii.« Er befreite einen Arm aus dem verdreckten Gewand, legte das saubere Gewand darüber, entblößte den anderen Arm. »Füttert der Besitzer BinYAHtii, wird er sich nicht an ihm nähren. Daniel Akamarino.« Er ließ sich das schmutzige Gewand auf die Füße fallen, schleuderte es mit einem Tritt beiseite und streifte sich das saubere Kleidungsstück über den Kopf. »Du hast mit jenem zornigen Kind gesprochen«, sagte er, als sein Kopf zum Vorschein kam. Er zupfte das Gewand zurecht, schüttelte die untere Hälfte aus. »Ich habe etwas von einer Auslosung vernommen, zu der Kinder gebracht werden. Hat das Mädchen davon erzählt?« Er hörte Daniels Erklärungen sehr aufmerksam zu; zerstreut strich er mit den Händen immerzu den schwarzen Stoff glatt. »Nun verstehe ich«, sagte er, als Daniel wieder schwieg. »Zwei Kinder bleiben zur Ausbildung dort, aber das Kind, das das Goldene Los zieht, sieht man nie wieder. So ist Maksim eben, ein wahrhaft schlauer alter Hund. Wißt ihr, es ist eine Besonderheit BinYAHtiis, daß er die Eigenheiten jener Geschöpfe annimmt, deren Kräfte ihn speisen. Nähme Maksim dafür Erwachsene, gar Rebellen, er hätte seine liebe Not, den Talisman in der Gewalt zu behalten, aber bei Kindern ... Hmm. Vierzig Jahre ...« Sein hohlwangiges Gesicht legte sich in neue, tiefe Falten; die verheerende Wirkung der Dämonen-Lebenskraft und die Mühsal, die es ihm abverlangte, sich und seine Begleiter fortwährend mit Wehrzaubern zu schützen, zehrte ihm schier das Fleisch von den Knochen. »Ich hatte gehofft, er müßte ein, zwei Tage lang ausruhen. Aber das ist nicht nötig, er vermag sich an BinYAHtii zu stärken. Ich dagegen bin so gut wie am Ende, Brann, trotz deines Beistands bin ich fast am Ende.« Mit den Fingerspitzen berührte er seine Zunge, besah sich danach die Finger, wischte sie an der Baumrinde ab. Er neigte den Kopf, schloß die Lider, stand eine Zeitlang ganz still da; dann schüttelte er sich, straffte seine Haltung. »Würdest du mir einen Schluck von dem Wein abgeben, Daniel Akamarino?«
»Mit Vergnügen.«
Brann schnalzte mit der Zunge, verärgert über die genüßliche Genugtuung in Daniels Antwort. Sein Tonfall war nicht so hämisch, daß man hätte beleidigt sein müssen, genügte jedoch völlig, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen: Ahzurdan lief dunkelrot an, seine Hände zitterten, doch er ging nicht auf den Seitenhieb ein, trank statt dessen, trank nochmals, gab dann Daniel den Weinschlauch zurück, ohne ein Wort zu sagen.
Sie bestiegen wieder die Maultiere und ritten weiter. Jaril lief als sehniger, grauer Wolf voraus, führte sie auf dem Weg bergauf, den Yaril als Falke vorher aus der Luft erkundet hatte; sie durchquerten gewundene Hohlwege, erklommen Bergwiesen und Geröllhalden, hielten sich stets in der Richtung der bewaldeten Berghänge des Isspyrivo, und unterdessen blieb der Feuerberg in seinem tiefen Schlummer. Alle befanden sich in angespannter, reizbarer Stimmung; weder sprach Brann, noch sagten die beiden Männer irgend etwas; die Luft zwischen ihnen schien regelrecht voller gefährlicher Ausdünstungen zu sein, als hätte man darin Sprengpulver verstreut, ein Wort — ein einziges Wort —, und es würde einen Knall geben, der alle Beteiligten ins Verderben stürzte. Sie waren angespannt, gereizt und zudem voller Furcht. Jeden Augenblick, ohne die geringste Vorwarnung, mochte Settsimaksimin erneut zuschlagen.
Während sich der Nachmittag hinzog, versank Ahzurdan in eine derartig tiefe Abgestumpftheit, daß nicht einmal die ihm von Brann zugeführte Dämonen-Lebenskraft ihn noch in nennenswertem Maß muntermachen konnte; er ritt mit den anderen, weil er nicht soviel Willenskraft aufbrachte, um sich aus dem Sattel fallen zu lassen, und nicht, weil er eine begründete Hoffnung gehegt hätte, den unausweichlichen nächsten Überfall überleben zu können. Er traf keine Vorsorge dagegen, vernachlässigte seine Wehrzauber, bis sich ihre Wirksamkeit verflüchtigte, er saß bloß vorgebeugt im Sattel, als böte er sein Kinn für den letzten Hieb dar, als erflehte er ihn im stillen geradezu, damit diese schreckliche, lähmende Spannung endlich aufhörte.
Daniel Akamarino trank von Tungjiis Wein und
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