Brann 02 - Blaue Magie
Aussehen; es fiel Ahzurdan schwer, den Blick von ihr zu wenden. Sie schmiedete Reime mit dem Gesandten, ersann zur Ergänzung seiner Gedichte Verspaare, sie redete mit dem Jadehändler über Jadeschnitzereien, meistenteils allerdings über alte Arth-Slya-Stücke und die Arbeitsweisen jener sagenumwobenen Künstler, schwatzte mit der Kurtisane über die gegenwärtig beliebten Arten des Tanzes, nannte dabei den Namen eines längst toten, hinaischen Tänzers, der Taguiloa geheißen hatte, geriet richtig in Aufregung, als Huazo ein paar witzige, offensichtlich jedoch schlüpfrige Geschichtchen über jenen Mann erzählte (auch ein ehemaliger Liebhaber Branns?) und sich danach in einem Maß über seinen Einfluß auf ihre eigenen tänzerischen Darbietungen ausließ, was Ahzurdan als langweilig, weil zu reich an Einzelheiten empfand. Die Mahlzeiten verliefen recht angenehm, und allem Anschein nach fühlte Brann sich auch wohl, doch sobald sich dazu Gelegenheit ergab, mischte sie sich wieder unter die Mannschaft. Ahzurdan begriff nicht, was sie an den Männern so anzog, sie waren rohe, gewöhnliche Kerle mit dementsprechenden Gedanken, und gleichzeitig machte es ihn eifersüchtig, zu sehen, wie gut sie mit ihr auskamen. Während der ersten Tage der Fahrt fieberten ihm Vorstellungen von Orgien unter Deck durch den Kopf, doch seine Schulung erlaubte es ihm nicht, zu übersehen oder zu verzerren, was er mit eigenen Augen mitanschaute, ganz gleich, wie stark Mutmaßungen und Gefühle auf sein Gemüt einwirkten. Für einen Zauberer bedeuteten Mißverständnisse nicht etwa bloß Schwierigkeiten mit der Folgerichtigkeit der Gedankengänge oder mit schöngeistigen Überlegungen, vielmehr konnten sie ihn und alle in seiner Umgebung in den Tod stürzen. Brann tauschte mit den Seeleuten Geschichten aus, zeigte ihnen ihre Geschicklichkeit in der Handhabung der Taue, mit Richtungsweiser und Pinne; sie hatte flinke, gewandte Hände, Ahzurdan beobachtete, wie sie nur so dahinhuschten, und mißbilligte, was sie tat. Sie war nahezu eine Halbgöttin, keine elende Bäuerin oder Handwerkerin, die sich für ihren Lebensunterhalt abplagen mußte.
Am Tag, als das Schiff aus Merr Ono absegelte, saß er in ihrer Kabine und erzählte ihr aus seiner Anfangszeit bei Settsimaksimin; plötzlich unterbrach er sich und fragte sie, warum sie die Kabinen-Fahrgäste mied, obwohl deren Gesellschaft doch weit besser zu ihr paßte als ... die ja zweifellos gutherzigen, aber doch unfeinen Männer der Besatzung. Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, der ihm bis in die Seele schaute und die eigentlichen Beweggründe seiner Frage entblößte; oder jedenfalls hatte er dies Gefühl.
Nach einer Weile des Schweigens seufzte sie. »Ich kann ihn nicht ausstehen. Nein, stimmt nicht. Seine Nähe droht mir sogar den Magen umzudrehen. Beim Essen bin ich zu ihm höflich, aber ich habe keine Lust, mich länger als nötig in seiner Gegenwart aufzuhalten.«
»Wieso nicht? Er ist ein gebildeter, gescheiter Mann.
Man preist seine Gedichte zwischen Andurya Durat und Kukurul für ihre Ausdruckskraft und ihren Einfallsreichtum.«
»Hast du welche von ihnen gelesen?«
»Ja.«
»Ich muß dir zustimmen, um dir widersprechen zu können. Ich gebe zu, rein unter Gesichtspunkten der Kunstfertigkeit besehen, haben sie einiges für sich, aber ansonsten sind sie nur hohles Zeug.«
»Du kannst unmöglich Winternahen gelesen haben.«
»Ach, Ahzurdan, den Großteil von hundert Wintern habe ich mit nichts anderem als mit Lesen zugebracht.« Brann pflügte mit den Fingern durch ihre daunenähnliche Kopfbehaarung. »Ich habe Winternahen gelesen, und ich habe nie näher davor gestanden, ein Buch zu verbrennen. Vor allem wegen des Teils, in dem er den Tod des Kinds einer Dienerin bejammert. Der Wohnturm seiner Familie steht eine halbe Tagesreise von der Töpferei entfernt. Ich habe zu viele Ergebnisse seiner Ausübung von Gerechtigkeit gesehen« — sie fauchte das letzte Wort regelrecht — »um auf sein Gefasel über Leid hereinzufallen, das er selber verursacht. Mir ist's einerlei, wie schön und ausgefeilt das Gedicht ist.« Sie schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf Ahzurdans Arm. »Ich gestehe ihm Begabung in der Dichtkunst zu, aber als Mann kann ich ihn nicht ertragen. Und über dem Gedicht vermag ich den Menschen nicht zu vergessen.« Sie wich etwas von ihm ab. »Plaudere mit ihm, soviel du willst, Dan, aber sei auf der Hut und laß dich mit ihm auf nichts ein. Der Jade-König
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