Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Aufwärtsrucken der Mundwinkel, doch es verriet Wohlwollen, ja sogar Zuneigung, und Carup erblühte wie eine Blume im Sonnenschein.
»Du hast mir gut und treu gedient.« Branns Worte klangen ernst, aber sie sprach in umgänglichem Tonfall, nahezu freundschaftlich, und Carup beruhigte sich vollends. »Du hast mehr getan, als mir bloß Dienste zu leisten, Kind. Großmut des Geistes hast du bewiesen, während du selbst nur ein wenig freundliche Behandlung, einen gewissen Schutz vor der Welt und jenen, die dir Übles antun könnten, erwartet hast. Carup Kalan, ich bin Dienerin einer Gottheit, deren Namen ich nicht nennen darf. Gelegentlich erhalte ich Weisung, dieses oder jenes zu tun, da oder dort hinzugehen. Nun ist mir mitgeteilt worden, daß in Bälde meine Anwesenheit an einem anderen Ort vonnöten sein wird.« Brann behielt die Maske des Lächelns bei, während sie ihr Lügennetz wob, jedoch fühlte sie sich dabei gar nicht sonderlich wohl, am wenigsten, wenn sie Carup ins Gesicht und dessen Ausdruck sah.
Dem Mädchen zitterten die Lippen, es wagte jedoch keinen Widerspruch zu äußern. Neue Furcht überwältigte es, mehr sogar als Furcht, es war offene Verzweiflung. Wieder stieß das Schicksal sie aus einem zufriedenen Dasein, schleuderte sie beiseite wie ein Stück Abfall. »Ich nähme dich mit, wär's mir gestattet. Aber es ist mir nicht erlaubt. Eines jedoch kann ich für dich tun, Carup, ein Geschenk kann ich dir machen. Ich kann dich mit der Mitgift einer Königin zu deiner Sippe heimschicken.«
Carups rechter Daumen rieb unaufhörlich die Gesprengsel des Muttermals auf dem linken Handrücken. Einige Augenblicke lang schwieg sie, dann neigte sie den Kopf. »Ich danke dir, Jantria.« Ihre Stimme klang lasch, leblos.
»Steh auf, Carup Kalan!« Carup widmete dem gleißenden Panther einen Blick, zuckte dann die Achseln; es gab schlimmere Dinge als so ein spukhaftes Tier. Sie rutschte an den Rand ihrer Liege, erhob sich; sie schlief immer in einem ärmellosen Hemd aus ungebleichtem Musselin, das einen am Saum karg bestickten Kragen hatte, an dem vorn aus Ösen locker verknotete Bändchen baumelten. »Zieh dein Hemd aus.« Während sie sich wie eine Willenlose bewegte, zupfte Carup den Knoten auf, öffnete den Kragen und ließ das Hemd über die Schultern auf die Füße fallen.
Sie verzichtete auf alle Versuche, sich zu bedecken, ihre Verzweiflung war zu groß, als daß sie Scham empfunden hätte. Das schwammige puterrote Muttermal bedeckte ihre Gestalt von oben bis unten, weit mehr davon, als Brann zu sehen befürchtet hatte. Große Flecken hatte sie auf der rechten Seite des Leibes, Kleckse wie von verspritztem Blut auf den Brüsten; ein breiter Streifen weinroten Fleischs erstreckte sich über die linke Körperseite, floß gleichsam über den Nabel und am rechten Schenkel abwärts. »Breite die Decken über deine Bettstatt und leg dich drauf!« Fügsam wie stets, ohne Ärger oder Schmerz zu kennen, gehorchte Carup mit der Ordentlichkeit und Geschicktheit, mit denen sie alles verrichtete, zog am gemachten Bett sogar die Zipfel der Decken gerade. »Leg dich auf den Rücken!« bat Brann, als Carup fertig war. Unterdessen hatte der Panther unablässig Brann umkreist, seine Kristallaugen spiegelten den Kerzenschein wider. Nun zerfloß er zu Dunst, der sich über Carup zu Nebel ballte, dann in sie hineinsickerte. Carup lag starr da, die Augen fest zusammengekniffen.
Brann lehnte den Kerzenhalter an den Schornstein, kniete sich neben die Bettstatt. Unterstützt durch Jaril, begann sie das Mal zu beseitigen, gestaltete die entstellte Haut um, entfernte es vollkommen spurlos. Sämtliche Kräfte, die sich die Seelentrinkerin während ihrer nächtlichen Streifzüge angeeignet hatte, wendete sie nun für das Mädchen auf, ja sogar mehr. Nachdem Brann die Heilung vollbracht hatte, glich Carup Kalan einem schneeweißen Lamm, einer makellosen Perle, sie hätte eine Königin sein können.
Zittrig vor Ermattung, Körper und Gesicht schweißüberströmt, stand Brann auf, ging zum Kerzenhalter und nahm die Kerze ab, stellte sie auf die Kiste, die neben dem Bett den Zweck eines Nachttischchens erfüllte; die Kerze war so dick, daß sie von selbst stand. Sie schaute das verkrampfte, unglückliche Mädchen an, schüttelte den Kopf, begab sich in ihre Schlafkammer. Jaril erschien dort als Dunstschwade, verstofflichte sich zu einem schwarzen Panther — diesmal leuchtete er nicht — und tappte in die Küche; einen
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