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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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ihre Schwerter an den Gürteln befestigt und schlenderten die Straßen und Gassen herunter. Die Skerge sahen, wie ihnen die Frauen folgten; die Ehefrauen, Mütter und Geliebten. Für viele von ihnen war dies ein Abschied für immer. Die Pfeile der Vandarer würden auch dieses Mal Leben kosten. So war der Krieg, das war Cernunnos Wille.
     
    Als Bran aufwachte, blieb er zuerst liegen und lauschte den Geräuschen. Er hörte die Stimmen, die voller Kraft sangen, und fragte sich, ob es nicht die Götter waren, die so deutlich und übermenschlich zu ihm sprachen. Doch die Erinnerung verjagte den Schlaf, und die Türme und Glocken kamen ihm wieder in den Sinn.
    Er blieb noch eine Weile mit geschlossenen Augen liegen und ließ den Körper den harten Steinboden unter Rücken und Hinterkopf spüren und die Wärme unter dem Umhang. Und er spürte ihr weiches Gewicht auf seiner Brust und ihre Haare, die seinen Hals wie einen Schal umgaben. Sie hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt, und ihre Finger berührten sein vernarbtes Ohr. Bran streichelte ihren Rücken. Wie schmal er über den Hüften war und wie weich sich die Grübchen an der Seite ihres Bauches anfühlten! All das gefiel ihm. Dieser Teil ihres Körpers war so vollkommen anders als alles, was er kannte. Eine tiefe Ruhe bemächtigte sich seiner, wenn seine Hand dort lag.
    Die Glocken verstummten. Bran zog seinen Arm an, denn die plötzliche Stille erschreckte ihn. Sie glitt von seiner Brust und legte ihre Hände auf seinen Oberarm.
    »Bran…« Ihre Stimme klang müde und vorsichtig. »Es ist Morgen. Du musst gehen.«
    Bran öffnete die Augen. Er war von Säulen umgeben. Der Himmel war dunkel und voller Schatten. Er richtete sich auf die Ellbogen auf und blinzelte in das Licht, das durch die Tür hereinfiel. Sie stand einen Spaltbreit offen, und er erinnerte sich, wie er sie aufgeschoben hatte und ihr in den Turm hineingefolgt war. Denn er lag noch immer in Cernunnos Turm, und auch Tir war noch immer bei ihm. Er drehte sich auf die Seite und berührte ihr Gesicht. Er hatte keine Angst mehr davor, sie anzufassen. Ihr Gesicht war ihm ebenso vertraut wie sein eigenes. Ihr Körper war kein Geheimnis mehr, sondern in all seiner Göttlichkeit warm und schön.
    Erneut flüsterte sie ihm zu. »Du musst gehen.« Sie küsste ihn auf den Arm. »Die Glocken rufen die Krieger zu den Schiffen.«
    Bran ließ die Wärme ihrer Lippen in seinen Körper fließen. Er wollte nicht gehen, und so legte er seinen Arm um sie und starrte zur Decke empor.
    »Du bist einen Handel eingegangen«, sagte sie plötzlich. »Du sollst mich bekommen, wenn du dich als Tileder unter Visikal verpflichtest.« In ihrer Stimme lag keine Bitterkeit, und als Bran sich ihr zuwandte, streichelte sie ihm über die Stirn. »Deshalb musst du gehen.«
    »Ich will nicht gehen.« Bran schloss die Augen. »Du bist meine Frau, und ich muss bei dir sein.«
    Tir schwieg lange. Sie legte ihre Wange noch einmal auf seine Brust.
    »Das ist Tirga.«
    Er spürte, wie sich ihr Kiefer beim Sprechen bewegte.
    »Für die Frauen hier ist es eine Ehre, Witwe zu werden.«
    »Für dich auch?« Bran legte seine Hand auf ihren Nacken, denn er fürchtete die Antwort.
    »Ich bin eine Galuene. Für mich besteht der Krieg nur aus Pfeilwunden und Schwertstichen.«
    »Galuene…« Bran wickelte eine ihrer Locken um seinen Zeigefinger. »Eine Heilerin… Erzähl mir, wie es dazu kam, Tir.«
    Tir wandte sich von ihm ab. Bran bewunderte ihren Nacken, und als sie ihr Haar anhob, um ihr Kleid über den Kopf zu ziehen, hielt sie den Atem an und streckte die Brüste vor. Das alles war so wunderbar anders als sein eigener Körper. Dann ließ sie das Kleid an ihrem Oberkörper hinabfallen.
    »Als ich sechzehn Winter alt war, wurde ich mit einem Mann verlobt.« Sie zog das Kleid über ihre Hüften. »Doch er starb bei einem Feldzug, der gleich nach dem Verlöbnis begonnen worden war.«
    Bran richtete sich auf. Das gefiel ihm nicht. Wer war der Mann, dem sie versprochen worden war? Hatte er sie vor seinem Tod angefasst? Er wollte sie das fragen, doch Tir sah weg und sprach weiter.
    »Danach haben die Galuenen mich in die Lehre genommen, und ich habe Kräuter kennen gelernt und erfahren, wie Wunden heilen. Ich verstehe es, mit Cernunnos zu reden.« Sie schlang sich den Schal um die Schultern. »Vor drei Jahren wurde Vater zum Schatzmeister von Fa Ton ernannt. Er war Visikals Bruder, doch die zwei mochten sich nie. Vater nahm uns mit auf die Insel, und

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