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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Geschäft. Daß inzwischen im Hinterland – unsichtbar der Neugier der Schiffahrer und Händler durch die hohe Bergkette – eine vielleicht kommerziell weniger ergiebige, aber ungleich gesündere Entwicklung eingesetzt hat, ahnt noch niemand in Europa und nicht einmal der König von Portugal. Diese planvolle und in zähem systematischem Eifer geförderte Besiedlung des Landes durch seine eigenen angestammten Bewohner ist die Großtat der Jesuiten für Brasilien. Um Jahrhunderte den königlichen Fiskalbeamten und habsüchtigen Maklern vorausblickend, für die nur Gewinn bedeutet, was sich rasch ausmünzen läßt, haben sie hellsichtig erkannt, daß das wirtschaftliche Fundament eines Volkes auf die Dauer nicht auf den unsicheren Konjunkturen einzelner Monopolartikel und nicht einzig auf der Helotenarbeit gekaufter Sklaven beruhen kann; ein Land, das sich aufbauen will, muß zuerst lernen, die Erde zu bebauen und sie als die eigene zu empfinden. Die Großartigkeit dieser Unternehmung kann nur von zwei Flächen aus richtig betrachtet werden: von ihrem Anbeginn aus dem Nichts und von ihrem endgültigen, heute der Welt offenbaren Resultat. Nur aus der tausendjährigen und ewigen Urform der Landwirtschaft und Viehzucht konnte eine gesunde Nationalökonomie sich entwickeln; daß gerade die noch völlig nomadischen Stämme zu dieser notwendigsten Arbeit erzogen werden konnten, bedeutet im Moralischen den wahren Anbeginn der brasilianischen Nation.
    Diese Arbeit beginnt bei Null. Als Nóbrega und Anchieta ins Land kommen, fehlen außer der Erde, die niemand bebaut, außer den Eingeborenen, die noch nicht wissen, sie zu bebauen, die bindenden und verbindenden Kräfte. Nichts ist vorhanden, alles muß erst über das Meer gebracht werden, jedes Stück Vieh, jede Kuh, jedes Kalb, jedes Schwein, jeder Hammer, jede Säge, jeder Nagel, jeder Spaten, jeder Rechen und dazu noch die Pflanzen und die Samen, und dann erst müssen mühselig diese nackten und kindlichen Wesen gelehrt werden, wie zu pflügen, wie zu ernten, wie Ställe zu bauen für das Vieh und wie das Vieh zu behandeln. Ehe sie sie noch recht belehren können, Christen zu werden, müssen die Jesuiten die Eingeborenen zuerst in der Arbeit unterweisen und, ehe mit den Grundbegriffen des Glaubens, sie mit dem Willen zur Arbeit durchdringen. Was für die Jesuiten in der Ferne ein geistiger Plan größten Stiles gewesen, verwandelt sich zu einer kleinen und mühsamen Geduldarbeit, wie sie nur die disziplinierte Kraft von Männern, die ihr ganzes Leben an eine Idee verschworen haben, durchzusetzen vermag: die Zivilisierung des Menschen durch die Kultivierung der Erde; nichts von alledem, was diese ersten Lehrer mit sich bringen an Büchern und Medizinen und Werkzeugen und Pflanzen und Tieren, ist von solcher belebender und tonischer Kraft für die Entwicklung gewesen als diese starre und doch glühende Energie dieses Dutzends Menschen. Rasch – wie alles in Brasilien – wachsen und entfalten sich diese ersten aldeias, diese jungen Siedlungen, und mit gerechtem Stolz können die Jesuiten bald in ihren Briefen berichten, wie glücklich diese Bindung sich erfüllt, die Bindung der Erde mit den Menschen und die Mischung zwischen Weißen und Eingeborenen zu einem neuen tätigen Geschlecht. Schon glauben die Väter ihr Werk gelungen; São Paulo, erst die Stadt und dann die Provinz, besiedelt sich, immer weiter ins Land greifen die aldeias aus. Aber die eigentliche Eroberung des Landes wird nicht auf dem stillen, friedlichen und planhaften Wege vor sich gehen, den sie vorausgesehen, sondern auf einem anderen Weg. Immer liebt die Geschichte, wenn sie eine Idee erfüllen will, von dem vorbereiteten Menschenplan abzuweichen und ihren eigenen Weg zu gehen, und so auch diesmal. Die Jesuiten haben ein junges Geschlecht auf dem Boden angesiedelt mit dem Vorsatz, sie sollten ihn bebauen. Aber schon die neue Generation der Mamelucos, der Mischlinge, bricht aus den Grenzen, die die frommen Väter gesetzt haben, ungeduldig vor. Noch ist die nomadisch schweifende Lust ihrer braunen Voreltern und anderseits die zügellose Wildheit der ersten Kolonisten in ihrem Blut lebendig. Warum die Erde selbst bebauen, statt sie von andern, von Sklaven bebauen zu lassen? Bald werden die Halbbraunen die schlimmsten Feinde der Braunen, die Söhne der Eingeborenen, deren Väter die Jesuiten vor dem Sklaventum gerettet, die grimmigsten Sklavenhändler, und gerade in São Paulo, das die Jesuiten als eine

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