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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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wie auch die Tatsache, daß sie spitz auf ihn war. Nachdem Isabel so lange Zeit mit einem Weißen geschlafen und sich in Girlanden um sein kompliziertes Seelenleben gewunden hatte, wollte sie sich eine problemlose Nummer mit einem Mann gönnen, der fast ebenso schwarz war wie sie. «Hundert Cruzeiros», sagte sie. «Ich bin bestimmt ein Hundertstel von diesem alten Kreuz hier wert. Seine Arme bewegen sich nicht. Es hört sich Gebete an, aber es erhört sie nicht. Ich werde jedes deiner Gebete erhören, wenn es nicht zu unanständig ist.»
    Er tat erstaunt und peinlich berührt und handelte sie dann auf fünfundachtzig herunter, die er auf den Preis des angekauften Kreuzes aufschlagen und so die Kosten seines Schäferstündchens auf die fernen Agro-Industriellen abwälzen wollte.
    Sein Zimmer im ersten Stock war überfüllt und lichtdurchflutet wie der Urwald, den sie mit Ianopamoko durchquert hatte. Überall standen schreiend grelle, in allen Papageienfarben bemalte religiöse Statuetten herum, das ganze Arsenal der katholischen Götter – Maria, der Jesusknabe und der gekreuzigte Heiland, St. Sebastian mit seinen Pfeilen, St. Katharina mit ihrem Rad und der Papst mit weißem Käppi und kleiner, runder Brille, der an Schluckauf gestorben war – , dazu die orixás und exús des Candomblé mit den gleichen, kleinen Gipsköpfen und aufgemalten Gipsgesichtern und beige bemalte Büsten von Elvis und Buddy Holly und Little Richard und anderen Unsterblichen des ianque Rock ’n’ Roll. Sogar ein vergoldeter Buddha war zu finden und eine schwarz glasierte Kali mit ihrer flammend roten Zunge und der Halskette aus Schädeln. Dieser pardovasco lebte wahrhaftig für seine Religionen, was Isabel abstieß. Sie mißtraute der Männlichkeit eines Partners, der nicht bereit war, sie zum einzigen Objekt seiner Verehrung zu machen.
    Statt sofort mit ihr aufs Bett zu fallen, bestand der Juwelier darauf, daß sie sich seine Afochê- Platten anhörten. « Afochê ist die afrikanischste Musik in Brasilien», erklärte er, «mit engen Verbindungen zum Candomblé. Der Reggae aus Jamaika und die schwarzen Befreiungsbewegungen überall in Amerika haben ihr neue Impulse gegeben.» Er bot ihr Haschisch zum Rauchen an, aber es schenkte ihr keine so kosmischen Gefühle wie Tejucupapos yagé. Der Sex, als sie endlich dazu kamen, wirkte beiläufig und zahm, wenn sie ihn mit dem verglich, was sie und Tristão entwickelt hatten. Dies war kein Mann, der eine Frau bis an den Rand der Selbstauslöschung liebte. Und sie war für jede andere Art von Mann verdorben. Trotzdem besuchte sie den Juwelier – er hieß Olympio Cipóuna – und sein Zimmer voller abgebrannter Votivkerzen noch mehrere Male und zahlte das Geld, das sie ihm abschwatzte, auf ein Sparbuch ein, dessen Zinssatz sich gleitend der Inflation anpaßte.
    Je weiter nach Osten sie und Tristão gelangt waren, aus einer Wildnis, in der nur die Indianer leben konnten, über nicht eingezäuntes Weideland bis ins Gebiet der bäuerlichen Landwirtschaft mit staatlich subventionierten, industriellen Einsprengseln, desto offensichtlicher war die Notwendigkeit geworden, sich mit Geld zu versehen. Sie brauchten Kleider, Schuhe und Cruzeiros für Miete und Mahlzeiten. In der Provinzstadt namens Bunda da Fronteira, in der sie sich befanden, hatte es noch vor wenigen Jahren Bürgersteige aus bloßen Brettern und vorgesetzte Holzfassaden und Pfosten zum Anbinden von Pferden gegeben, und jedermann trug eine Waffe. Fotos von Hinrichtungen und alten Ballsälen waren in den Auslagen der Friseurgeschäfte an der Hauptstraße und an den Wänden des örtlichen Geschichtsvereins zu bewundern. Überall wurde indianisches Kunsthandwerk, vor allem Federschmuck der Erikbatsas für die deutschen und schwedischen Touristen angeboten, die in Omnibussen hergekarrt wurden; außerdem sah man Gruppen von kanadischen Sportfischern, die zu einer Pauschalreise zum Zweck der Plünderung des Fischreichtums der Flüsse Araguaia und Xingú aufgebrochen waren. Der Dienstleistungssektor wurde eilends ausgebaut, zum Nutzen der Touristen und der Einheimischen, die schon zu Geld gekommen waren. Zehnstöckige Bürogebäude waren im Bau, die eine Klimaanlage erhalten sollten und Fenster, die man nicht mehr öffnen konnte. An sechs Kreuzungen hatte man Straßenlampen aufgestellt; das Leitungswasser wurde trinkbar gemacht, und am Stadtrand nahm ein Einkaufszentrum Gestalt an.
    Unter Verweis auf ihre praktische Erfahrung bei der Schneiderin

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