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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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sich ausgeruht hatte, und setzte sie an der gespannten Vene an und zog sie, so tief die Klinge reichte, quer hindurch. Weil der Blutstrom zwar stark, aber nicht so gewaltig war, wie er es erwartet hatte, fügte er noch einen zweiten, senkrechten Schnitt hinzu und merkte erst später, daß er sein Verbrechen mit einem Τ signiert hatte.
    Er wollte die Leiche in den puderigen Schlacken der Goldmine vergraben, aber solange das Blut spritzte, schlug auch das Herz noch, und er brachte es nicht über sich, César lebendigen Leibes unter die Erde zu bringen. Wie ein Hund, der hektisch mit den Vorderpfoten scharrt, bedeckte Tristão den grauen Anzug mit grauem Staub, aber den Kopf ließ er herausragen wie einen Findling, der auf dem Abhang lag, oder wie das wohlgeformte Haupt eines zerschmetterten Standbilds.

18. Der Mato Grosso
    Tödlich erschöpft von der körperlichen Anstrengung und von der Schuld, die er auf sich geladen hatte, kehrte Tristão zur Hütte zurück, wo ihn kein Augenblick der Ruhe, sondern drängende Aufbruchsstimmung erwartete. Seine Familie stand marschfertig neben ihren wenigen transportablen Habseligkeiten, die zu Bündeln geschnürt waren. Sein orangeroter Rucksack steckte voller Kleidungsstücke, und die leichteren Kochutensilien waren in Tücher und Moskitonetze eingewickelt. Im flackernden Licht der Petroleumlampe wirkte selbst das Baby mit seinen weit aufgerissenen Augen ernst und feierlich, wagte es im Angesicht der Gefahr nicht zu schreien. Kupehaki, die alte Tupi-Indianerin, hatte Wind von ihrer Abreise bekommen und war prompt zur Stelle, um sie zu begleiten. Mit unfreundlichen, hastigen Worten versuchten sie, ihr diese Absicht auszureden, aber sie tat so, als wäre sie taub. Im Abstand einer Armlänge verharrte sie neben Isabel und bewegte sich, wenn Isabel sich bewegte, drehte sich synchron mit ihr um und sackte mitfühlend auf dem Boden zusammen, als sich Isabel vor Angst und Verzweiflung zusammensacken ließ. Sie hatte sich ihnen angeschlossen, und nichts konnte sie mehr von ihnen trennen. Die Indianerin hatte einen schmalen, zylinderförmigen Weidenkorb mitgebracht, der auf dem Rücken getragen und von einem breiten Band über der Stirn gehalten wurde. Sie konnte ihnen nützlich sein, entschieden sie schließlich, selbst wenn sie sie nur ein kleines Stück am Anfang ihres Weges begleitete.
    Endlich brachen die fünf auf, im Gänsemarsch über den vergifteten Bach und auf dem Saumpfad, der sie von der Gesteinsmühle und dem Abraumhalden wegführte, in ein unbewohntes Tal hinein, in dem sich nur Banditen herumtrieben, die den Goldhändlern und den Versorgungskarawanen aus schwer bepackten Ochsen und Maultieren auflauerten. Das mechanische Summen des Berges, das erst um Mitternacht verstummte, wurde immer leiser hinter ihnen; auch die Geräusche der Goldgräberstadt erstarben bis auf das Jaulen eines Hundes und ein fernes Brüllen, das ein besonders heftiges Gelächter oder ein Zornausbruch sein mochte. Je besser sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto mehr kam es Tristão so vor, als leuchtete der Weg, der sich zwischen den zerfurchten, schwarzen Pflanzenschatten erweiterte und dann wieder enger wurde, unter seinen Füßen bläulich. Césars Blut war im blauen Mondlicht violett aus seiner Halsschlagader gespritzt. Isabel hatte sich die kleine, schlafende Cordélia, deren kahler Kopf bei jedem Schritt nickte, mit einer Schlinge aus gestreiftem Stoff vor die Brust gebunden. Tristão trug Azor zunächst auf seinen Schultern und spürte, wie sich das Kind mit schwachen, aber ausdauernden Händen in seinem verfilzten, mit Steinstaub imprägnierten Haarschopf festklammerte. Als sich der Griff lockerte und das Kind in den Schlaf hinübertaumelte, nahm Tristão es in die Arme und wunderte sich, wie schwer es in nicht einmal zwei Jahren geworden war. In seinem Rucksack schleppte er, neben der Kleidung, Césars Pistole, die mit sechs Schüssen geladen war, und seine Cowboystiefel mit, außerdem den zusammengefalteten Hüftbeutel, in dem ein oder zwei Goldkörnchen steckten. Seine schweren, schon stumpf gewordenen Schürfwerkzeuge hatte er ohne Bedauern zurückgelassen. Wir werfen alte Häute ab, um weiterzuleben.
    Kupehaki, die sich mit vorwärts gerecktem Hals gegen den Zug ihres Kopfbands, der tipóia, stemmte, trug in ihrem Weidenkorb ein paar Kochtöpfe, eine Blechbüchse mit Streichhölzern, Angelschnüre und -haken, das mit Edelsteinen besetzte portugiesische Kreuz und, rasch in

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