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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Dolchmesser“, rief Lisbeth Erna über die Schulter zu.
    Anne-Grete wartete schon am Bahnhof. Sie und Lisbeth fanden sich sofort. Der neue Koffer, die Sonnenbrille und das Dolchmesser lieferten einen ergiebigen Gesprächsstoff. Natürlich mußten sie unbedingt ihre Dolchmesser vergleichen und eine der anderen Sonnenbrille aufprobieren.
    Carl und ich nahmen indessen voneinander Abschied.
    „Steffi – mein liebes Mädchen!“ flüsterte Carl mir ins Ohr, und ich spürte seine Lippen auf meiner Wange. „Zwei Monate sind Gott sei Dank keine Ewigkeit. Und außerdem sehen wir uns ja Anfang Juli.“
    „Bitte einsteigen!“ rief der Schaffner.
    „Bisher hat unser Zusammensein in der Hauptsache aus Abschiednehmen bestanden“, lachte Carl. „Aber warte nur! Das soll anders werden!“
    Ich saß stumm in meiner Abteilecke. Ich hatte an so vieles zu denken.
    Anne-Grete und Lisbeth plauderten vergnügt miteinander. Anne-Grete versuchte, Schweine zu zeichnen. Sie platzten beinahe vor Lachen über die merkwürdigen Tiere, die das Rütteln des Zuges hervorbrachte.
    Anne-Grete lächelte zu mir hinüber.
    „Sweet little girl“, sagte sie.
    Ja, Lisbeth war süß. Wie freudig erregt sie war und voller Interesse für alles!
    „War Herr Lövolcl nicht nett, Lisbeth?“ fragte ich.
    „Nein“, antwortete Lisbeth.
    Ich zuckte zusammen.
    „Aber Lisbeth!“
    „Er war dumm“, sagte Lisbeth.
    „So etwas darfst du nicht sagen, Lisbeth!“
    „Wenn du mich fragst? Soll ich denn sagen, er war nett? Das wäre doch eine Lüge.“
    „Aber Lisbeth! – Er hat uns doch seinen Wagen geliehen und alles – “
    „Er war dumm!“ wiederholte Lisbeth.
    Der Tonfall erlaubte keine Widersprüche.

5
     
     
    „Steffi! Steffi! Perle und Graubein sind ins Haus gekommen! Und Perle hat dein Rad umgeworfen!“
    Mit heißem, sonnenverbranntem Gesicht und wirrem Haar stand Lisbeth in der Tür. Sie hatte ihre Haarschleife verloren – eine feine. buntkarierte Schleife, die ich in Geilo gekauft hatte – und war unbeschreiblich dreckig.
    Sie keuchte vom schnellen Laufen, hatte einen schwarzen Strich mitten auf der Nase, und der Ärmel ihrer kleinen Hemdbluse war aufgerissen. Kurz: sie sah kerngesund aus.
    Ich sprang von der Schreibmaschine auf und jagte die beiden Zicklein aus dem Hause. Sie gehörten auf die fünf Minuten entfernte Alm; aber sie fanden stets und ständig den Weg zu uns. Vielleicht kam es daher, weil Lisbeth ihnen allerlei Leckerbissen zuzustecken pflegte. Aber die Tiere waren so allerliebst und drollig, daß keiner von uns es fertig brachte, ihnen böse zu sein.
    „Du, Lisbeth, wo ist dein Taschentuch?“
    Verzweifeltes Suchen in allen Taschen. Endlich brachte sie einen kleinen, zerknüllten, nassen, kohlschwarzen Lappen zum Vorschein.
    „Du bist ein Ferkel, Lisbeth! Marsch! In die Kammer mit dir! Und hole dir ein sauberes Tuch! Wasch auch gleich deine Hände – und betrachte dich einmal im Spiegel!“
    Lisbeth trabte gleichmütig in die blaue Kammer. Schon bald kam sie zurück – zwar um eine Kleinigkeit sauberer, aber ebenso zerzaust.
    „Wo ist deine Haarschleife, Lisbeth?“
    Sie machte ein schuldbewußtes Gesicht.
    „Das weiß ich nicht. Ich fürchte, ich habe sie verloren.“
    „Wie bist du doch liederlich, Lisbeth!“ Ich mußte lächeln, als ich daran dachte, daß dieses schmutzige, laute, fröhliche, braune Ding das blasse, versonnene, ernsthafte kleine Mädchen war, das ich vor zwei Monaten kennengelernt hatte.
    „Kann ich nicht ohne Haarschleife gehen, Steffi?“
    „Es wird dir wohl nichts anderes übrigbleiben, wenn du sie verloren hast. Geh und hole deinen Kamm! Ich will versuchen, dich soweit herzurichten, daß du wieder menschlich aussiehst, du – Elsternnest!“
    „Du, Steffi!“ fragte Lisbeth, als sie mit dem Kamm zurückkam. „Was ist denn das – ein Elsternnest?“
    „Ein Nest, in dem Elstern wohnen“, antwortete ich. „Das pflegt ziemlich zerzaust auszusehen. Aber nun halte still, Lisbeth, damit ich dir einen Scheitel ziehen kann. So geht es wieder einigermaßen. – Was willst du jetzt machen?“
    „Ich weiß nicht recht. Was machst du?“
    „Ich radle nach Geilo und bringe Briefe auf die Post.“
    „Darf ich mit?“
    „Meinetwegen. Aber dann mußt du dich erst umziehen, du kleines Ferkel.“
    Lisbeth lachte immer begeistert, wenn ich sie ausschalt. Ich nannte sie abwechselnd kleines Ferkel, Wildfang und Räuberprinzessin.
    Wenige Minuten später saß sie rittlings auf einem Kissen auf dem

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