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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Regen ging es nach Hause.
    Selbstverständlich lud ich Heming Skar zum Essen ein. Ohne erst Redensarten zu machen, nahm er dankend an.
    „Sie müssen schön naß sein“, hörte ich Knuts Stimme, als wir vor unserer Hütte angelangt waren. Gleich darauf öffnete er die Tür, blieb wie versteinert an der Schwelle stehen und machte ein maßlos erstauntes Gesicht. Heming Skar schien nicht minder überrascht zu sein.
    „Knut!“ rief er „Heming! Ja, ist es die Möglichkeit? Wie kommst du denn hierher?“
    „Von Dagali“, sagte Heming. „Aber was machst du hier?“
    „Ich koche Essen und pflege Anne-Grete“, sagte Knut. „Sie hat sich einen Knöchel gebrochen. Komm herein, Heming! – Anne-Grete! – Hinke mal her! – Das ist Heming, von dem ich dir erzählt habe – er kommt direkt vom Himmel herabgeschneit – Zieh deine Lumpen aus, Heming! Du kannst dich dort in der roten Kammer umkleiden ----und der Diwan im Wohnzimmer ist breit genug – da können wir beide schlafen.“
    Ich stand stumm im Hintergrund und überließ es den beiden Freunden, ihrer Wiedersehensfreude beredten Ausdruck zu verleihen. Die Erklärung würde wohl später kommen.
    Sie kam beim Essen.
    Heming war der jüngste Sohn eines Pfarrers und in einem kleinen Ort in den Bergen aufgewachsen. Zwei seiner Brüder hatten studiert. Auch er selber träumte davon, eines Tages zu studieren und Ingenieur oder Lehrer zu werden. Aber keiner dieser Träume sollte, wie es schien, in Erfüllung gehen.
    Der Vater starb, als Heming gerade das Mittelschulexamen bestanden hatte. Er wurde Laufjunge und Handlanger in einer Automobilwerkstätte der nächsten Stadt. Er hielt dort ein paar Jahre aus. Vielleicht wäre es gar nicht schlecht gewesen, wenn er ein tüchtiger Automechaniker geworden wäre. Aber er konnte die alten Träume nicht vergessen. Er ging zwei Jahre zur See und sparte fast seine ganze Heuer. Als er wieder daheim war, ging er nach Oslo und arbeitete dort in einer Werkstätte. Er erreichte mit Mühe, daß er um halb fünf mit der Arbeit aufhören durfte. Von fünf bis acht besuchte er einen Vorbereitungskurs auf das Abitur.
    Es war ein schweres Jahr. Kein Wunder, daß er stark abgenommen hatte, als es zu Ende war. Das Examen bestand er, aber seine Stelle war er los. Als er in den Examenstagen um Urlaub gebeten hatte, war seinem Meister die Geduld ausgegangen. Er hatte ihn kurzerhand an die Luft gesetzt.
    Nun stand Heming da: mit einem guten Zeugnis in der Tasche und mit einem Vermögen von siebenundvierzig Kronen.
    Für den Sommer kam er in einem Reisebüro als Chauffeur unter und verdiente da nicht schlecht. Er konnte manche Krone für den Winter zurücklegen. Aber diese Ersparnisse reichten natürlich nicht aus, um die Kosten des Lebensunterhalts und des Studiums zu decken. Er übernahm jede Arbeit, wo er sie fand, und wenn es sich darum handelte, anderen Leuten den Christbaum in die Wohnung zu tragen.
    Er glaubte, er würde noch ein Jahr durchhalten müssen. Darin wollte er sich ins Examen wagen.
    Knut hatte ihn kennengelernt, als er vor vielen Jahren seine Sommerferien bei Verwandten in einem kleinen Gebirgsort verbrachte, in dem Hemings Vater Pfarrer war. Die beiden zwölfjährigen Buben waren schnell gute Freunde geworden, und wenn sie sich auch in den folgenden Jahren nicht gerade häufig sahen, so war die Verbindung doch nie abgerissen, und sie freuten sich beide jedesmal, wenn sie sich wieder begegneten.
    Es schien eine Selbstverständlichkeit zu sein, daß Heming in der Berghütte blieb. Ich wurde von aller Hausarbeit entbunden, und da jetzt öfter Regentage kamen, zog ich mich fast jeden Tag auf mehrere Stunden mit meiner Schreibmaschine in die blaue Kammer zurück. Ich hatte wegen meiner gar zu langen Sommerferien kein gutes Gewissen und räumte nun gründlich mit der Arbeit auf, die inzwischen liegengeblieben war.
    Lisbeth gedieh wie ein Fisch im Wasser. Eine Kleinigkeit fiel mir auf. Zu den beiden Jungen sagte sie ganz natürlich Knut und Heming, aber zu Carl hatte sie „Sie“ und Herr Lövold gesagt. Ich konnte das ganz gut verstehen. Carl war wirklich eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit. Weshalb sie aber eine so ausgesprochene Abneigung gegen ihn an den Tag legte, das verstand ich nicht.
    An den Abenden waren wir alle um den Kamin versammelt und plauderten. Es gab wenig Dinge zwischen Himmel und Erde, die von uns nicht beredet wurden. Ich glaube, ich habe an diesen Hüttenabenden mehr gelernt als früher in meinem ganzen

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