Braut der Nacht
hatte? Erinnerte ich mich daran, dass meine ganze Welt sich ein paar Minuten lang nur darum gedreht hatte, ob er mich wollte? Ob er mit mir glücklich war? Ich knirschte mit den Zähnen. Wie hatte Jomar es genannt? In den Bann schlagen?
»Was hast du getan?« Meine Stimme brach, und die Worte klangen rau. Vampirtricks. Er hat Vampirtricks bei mir angewendet. Aber selbst als dieser Gedanke durch meinen Verstand schnitt, wusste ich aus meinem Bauch heraus, aus tiefstem Innern, dass er es nicht beabsichtigt hatte. Die Frage war: Spielte das eine Rolle? Und kann ich meinem Bauch vertrauen? »Das war nicht ich. Du musstest wissen, dass das nicht ich war.«
Die gedämpften Farben um Nathanials Kopf verblassten. Dann füllten sie sich mit Dunkelheit. Er stand vom Fußboden auf, ohne mich anzusehen. »Natürlich. Das hättest du nicht gewesen sein können. Wie konnte ich auch wagen zu glauben, dass du irgendetwas empfinden würdest, ganz besonders für mich.«
Er drehte sich um und schlug die Tür hinter sich zu, als er ging. Meine Eingeweide schienen sich zu verknoten. Ich wollte ihm folgen.
Doch ich unterdrückte den Drang.
Ist das überhaupt mein Drang? Mein Wunsch?
Zitternd vergrub ich das Gesicht in den Bergen aus grünem Satin, die meine Knie bedeckten. Die Erinnerung an den Gedanken, der in Nathanials Verstand widerhallte, kehrte zu mir zurück. »Würde sie verstehen, dass ich das nicht vorgehabt hatte?«
Ich verstand es. Und ich glaubte ihm. Vielleicht war ich eine mondverfluchte Idiotin, aber ich glaubte ihm. Wem ich nicht mehr glauben konnte, war ich selbst.
Es klopfte an der Tür. Ich rührte mich nicht.
»Wir sind spät dran.« Nathanials Stimme war völlig ausdruckslos. Ohne Emotion.
Ich lehnte den Kopf an die harte, geflieste Wand. Ich kann das nicht.
»Ich komme nicht«, flüsterte ich und wusste, dass er es hören konnte.
Von der anderen Seite der Tür kam keine Antwort.
Ich seufzte. »Geh ohne mich. Ich werde nicht gebraucht.«
Ein leiser, dumpfer Laut ertönte, als habe Nathanial die Stirn gegen die Tür gelehnt. »Kita.«
Nur mein Name. Nichts sonst.
Ich kniff die Augen zu. Ich wollte zu ihm gehen. Ich wollte, dass mein Name nie mehr so verloren auf seinen Lippen klang. Aber ich konnte dem nicht vertrauen. Ich konnte mir nicht vertrauen, ich selbst zu sein.
Tatius hatte Vampirtricks bei mir angewendet. Nichts, was ich in seiner Nähe fühlte, war echt. Aber bei Nathanial hatte ich geglaubt…
Ich habe mich geirrt. Nichts ergab mehr einen Sinn, seit ich ein Vampir geworden war. Meine Instinkte trogen mich, und nun ließen mich auch noch meine Gefühle im Stich. Eine Träne tropfte auf die Fliese neben meiner Hand. Noch während ich den roten Tropfen anstarrte, spürte ich, wie eine weitere ihrer Spur über meine Wange folgte.
»Ich treffe dich unten.« Meine Stimme klang gebrochen, als versuche sie, sich aus einer zu engen Kehle hervorzuzwängen. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Wangen und setzte mich aufrechter. Dann sog ich einen tiefen Atemzug ein und hielt ihn. »Gib mir einfach nur ein paar Minuten für mich allein. Bitte. Ich treffe dich dann unten. Das verspreche ich.«
Nathanial antwortete nicht. An der Wand zusammengesunken und mit umschlungenen Knien wartete ich.
Mehrere Herzschläge verstrichen. Dann schlossen sich die Glastüren, und ich stieß den Atem aus, den ich angehalten hatte. Zitternd strömte er über meine Lippen, und ich atmete wieder ein. Und aus. Und ein. Und aus.
Sobald sich mein Atem beruhigt hatte, zog ich mich hoch und begutachtete mich im Spiegel. Meine Frisur hatte es überlebt, auf dem Fußboden herumzukriechen, nur ein paar Strähnen hatten sich aus der Haarnadelfalle gelöst. Dem Kleid war es weniger gut ergangen. Der Rock war zerknittert und voller Falten, und das Mieder war unbequem verrutscht. Ich schüttelte den Rock aus und versuchte, die Falten einigermaßen glatt zu streichen, aber da war nicht viel zu retten.
Mit einem resignierten Seufzer stürmte ich aus dem Badezimmer. Das Schlafzimmer war zum Glück leer. Kurz dachte ich darüber nach, einfach wieder ins Bett zu kriechen. Die Nacht noch einmal neu zu beginnen.
Doch das konnte ich nicht.
Ich wurde unten erwartet. Ich musste der Sammlerin gegenübertreten– und Tatius’ Botschaftern, und ich musste Nathanial gegenübertreten.
Kapitel 24
W arum bist du noch nicht im Salon?«, vernahm ich eine glockenhelle Stimme, als ich widerstrebend die Treppe hinuntertrottete.
Ich
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