Braut der Nacht
ihn an. Ich irrte mich nicht. Das wusste ich. Es musste ein Vampirtrick sein.
»Aber…«, setzte ich an.
Nathanial schüttelte den Kopf. Er beugte sich zu mir und mein Herz tat einen Satz, als seine Lippen mein Ohr streiften. »Ronco ist ein Krieger. Krieger sind schnell und stark, aber ihr Verstand ist so normal wie der eines Menschen. Kein Krieger hat je übersinnliche Fähigkeiten entwickelt, und Ronco ist nicht einmal ein Meistervampir. Es gibt keinen Trick. Er hat keine Erinnerung an einen Angriff.«
Das ist nicht möglich. Das war es einfach nicht.
Elizabeth beobachtete mich aus den Augenwinkeln heraus. »Wie es scheint, hat die Gefährtin des Eremiten die Glastüren ihres Zimmers eingeschlagen. Das könnte das Blut erklären.«
So eine mondverfluchte … » Und das hier?« Ich hielt die Schuppen hoch.
Der kalte Blick der Sammlerin brannte sich in mich. Ich ließ mich nicht einschüchtern. Demonstrativ öffnete ich die Finger und wedelte mit der schuppigen Schlangenhaut. Das Licht schimmerte auf den schwarzen Schuppen und dem dunklen Blut, das immer noch an meinen Krallen klebte.
»Lasst Akane rufen«, befahl die Sammlerin.
Eine Tür öffnete sich und schloss sich wieder. Ich wartete. Nathanials Finger gruben sich in meine Schultern. Niemand sagte etwas. Dann öffnete sich die Tür wieder, und eine frische Welle Schlangengeruch wehte herein. Ich zog angewidert die Lippen hoch, als der Skinwalker durchs Zimmer schritt.
Akane verbeugte sich vor der Sammlerin. »Du hast mich gerufen?«
»Die Gefährtin des Eremiten behauptet, du hättest sie angegriffen. Was hast du zu dieser Anschuldigung zu sagen?«
»Sie ist falsch.«
Ja, klar.
»Ich habe einen Beweis.« Verächtlich warf ich ihr den Fetzen zerrissener Schuppen vor die Füße, als wäre es ein Fehdehandschuh.
Sie starrte die zerfetzte Schlangenhaut an. »Woher hast du das?«
Wütend funkelte ich sie an. Als ob sie das nicht wüsste. »Das hat sich zwischen meinen Krallen verfangen. Als du mich angegriffen hast.«
Akane drehte sich zur Sammlerin um und schlug respektvoll den Blick nieder, aber ihre dunklen Augen waren hart. »Herrin, nein«, flüsterte sie.
»Du streitest die Anschuldigung ab?«
»Ich kann beweisen, dass sie falsch ist.« Ihre Hände fuhren zu dem Stoffgürtel, der ihren Kimono hielt, und sie zerriss beinahe die Seide, als sie sich den Stoff vom Körper zerrte. Nackt hob sie ihr Haar hoch, damit alle im Raum ihre entblößte Haut sehen konnten.
Die einzige Wunde an ihrem Körper waren die alten Krallenspuren an ihrer rechten Schulter, die langsam verheilten.
»Unmöglich!« Ich wollte nach vorn stürmen, doch Nathanial zog mich zurück. Wie konnte es sein, dass Akane keine Wunde am Körper hatte? Es war einfach nicht möglich!
Es sei denn, es gibt zwei von ihnen.
»Du kannst gehen«, sagte die Sammlerin zu Akane. Dann bohrte sich ihr Blick in mich und Nathanial. »Eremit, deine Gefährtin hat falsch– und öffentlich– zwei meiner Leute beschuldigt. Sie wird außerdem von der menschlichen Polizei verdächtigt, einen prominenten menschlichen Bürger von Demur ermordet zu haben. Im Licht all dieser Ereignisse widerrufe ich hiermit ihren Status als Gast… Elizabeth.«
Ein Lächeln breitete sich auf Elizabeths Porzellanpuppengesicht aus. Oh, Scheiße.
»Nein!« Ich trat einen Schritt zurück, aber Nathanial stand immer noch hinter mir, und er bewegte sich nicht. Flehend sah ich ihn über meine Schulter hinweg an.
Er schüttelte den Kopf, eine einzige kurze Bewegung, die durch meinen Körper schnitt, und hielt weiter meine Schultern fest. Sein Gesichtsausdruck hätte genauso gut aus Stein gemeißelt sein können. »Mach es nicht noch schlimmer«, flüsterte er. »Sie wird deine Erinnerungen lesen, nichts weiter.« Sein Gesicht mochte zwar wenig verraten, aber ich konnte die Sorge in seinen Worten spüren.
»Sehen wir mal nach, was wirklich passiert ist«, sagte Elizabeth und streckte die Hand nach mir aus.
Nach einem letzten flehenden Blick zu Nathanial– der mir nur bestätigte, dass ich das hier zulassen musste– schluckte ich meine Panik hinunter und hob mein Handgelenk. Meine Arme waren immer noch vom trocknenden Blut der Schlange überzogen, und Elizabeth rümpfte die Nase, sagte jedoch nichts, als ihre Zähne meine Haut durchbohrten.
Nathanial hielt mich weiter fest, als sich die Empfindung von ihrem Mund aus in meinem Körper ausbreitete. Mit zusammengekniffenen Augen kämpfte ich gegen die Hitze an, die sich
Weitere Kostenlose Bücher