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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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umstieß. Krachend fiel er zu Boden. Im Speisesaal wurde es still.
    Blicke richteten sich auf unseren Tisch, und Nathanials Augenbrauen zogen sich zusammen, offensichtlich unter der Anstrengung, gegen so viel auf seine Illusion gerichtete Aufmerksamkeit anzukämpfen. Ich griff nach dem umgefallenen Stuhl, doch Tatius war schon da und stellte ihn gerade. Sobald der Stuhl wieder auf seinen vier Beinen stand, umfasste Tatius mit schraubstockartigem Griff meinen Oberarm, dass sich seine Finger in meine nackte Haut gruben. »Wir haben noch etwas miteinander zu erledigen.«
    Mit diesen Worten marschierte er zügig mit mir im Schlepptau davon.
    Als sich die Tür zu Tatius’ Suite hinter uns schloss, wischte ich mir nervös die Handflächen an meinem Kleid ab. Ich hatte das Gefühl, dass es hier um Trinken und die ganze Sache mit der täglichen Dosis Meisterblut ging. Ich hatte ernsthaft gehofft, er würde es vergessen.
    Die Kerzen, die bei meinem Aufwachen noch dunkel gewesen waren, erwachten flackernd zum Leben. Tatius durchquerte das Zimmer, ohne eine Bemerkung über das plötzliche Erscheinen der Flammen zu machen. Als er die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete, schluckte ich heftig. Er denkt doch nicht, dass ich …
    Ich schüttelte den Kopf, worauf sich seine Augen verengten. Völlig unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Ich wollte nicht in sein Schlafzimmer gehen. Blut mit ihm zu teilen, war schon intim genug. Mein Blick flog im Wohnzimmer hin und her, auf der Suche nach irgendeinem Ausweg aus dieser Sache. Ich war noch nie zuvor mit Tatius allein gewesen, zumindest nicht, solange ich bei Bewusstsein gewesen war. Ich konnte ihm nicht in dieses Zimmer folgen. Ich konnte es einfach nicht.
    Ich muss.
    Meine Hände ballten sich zu Fäusten, aber ich wusste, dass es die Wahrheit war. Ich musste ihm folgen. Wenn ich nicht selbst ging, würde er mich bewegen. Also schlang ich die Arme um meinen Brustkorb, damit er nicht sehen konnte, dass meine Hände zitterten, zog den Kopf ein und schlurfte durchs Zimmer und durch die offene Tür.
    In der Mitte des Schlafzimmers blieb ich unsicher stehen. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Ich wartete. Ich drehte mich nicht um. So war es einfacher. Tatius’ Körperwärme erfüllte die Luft hinter mir, und ich hielt den Atem an.
    Als er mir die Hände auf die Schultern legte, zuckte ich zusammen. Dann schloss ich die Augen, als seine Wärme sich an meinen Rücken schmiegte.
    »Du bedeutest Schwierigkeiten«, flüsterte er nur wenige Zentimeter von meinem Ohr entfernt.
    Ich erwartete, dass er mich beißen würde, ein kleiner Teil von mir wünschte es sich sogar, doch gerade noch füllte er alle meine Sinne aus, und im nächsten Augenblick drehte sich die Welt um mich. Tatius wirbelte mich so heftig herum, dass sich ein paar Strähnen meines Haars aus der Frisur lösten. Ich krachte mit dem Rücken gegen die Wand an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, dass es mir die Luft aus den Lungen presste, und etwas Hartes drückte sich gegen meine Kehle.
    Ich schluckte– ein Reflex–, und die scharfe Klinge von Tatius’ Dolch schnitt in meinen Hals. Ein warmes Rinnsal lief über meine Haut, als Blut aus dem Schnitt quoll. Tatius zog den Dolch nicht zurück.
    »Wohin bist du gegangen?« Seine Stimme klang grob, fordernd. Sie passte zu seinen Augen, die glühten. Nicht vor Leidenschaft. Vor Wut.
    »Ich wollte…« Doch ich bekam keine Gelegenheit, ihm zu sagen, dass ich nicht hatte fortgehen wollen. Dass es nicht meine Entscheidung gewesen war.
    Er drückte den Dolch tiefer in die Wunde und schnitt mir das Wort ab. »Lüg mich nicht an. Ich mag dich vielleicht noch nicht vollständig an mich gebunden haben, aber ich kann dich spüren. Wohin bist du gegangen?«
    Ich wagte nicht zu atmen. Wie sollte ich ihm antworten? Ich wusste nicht, was ich sagen konnte, um ihn zu besänftigen. Eine Magierin hat mich auf einen Friedhof verschleppt? Ich wusste nicht einmal, wohin wir gegangen waren. Es lag im Süden, irgendwo ohne Schnee. Das war alles, was ich wusste.
    Irgendwie glaubte ich nicht, dass ihn das zufriedenstellen würde.
    Nichts, was ich sagte, würde mir wahrscheinlich helfen. Ich hatte nicht vorgehabt wegzugehen. Hatte es nicht einmal gewollt. Aber ich wusste nicht, wie ich ihn von dieser Tatsache überzeugen sollte.
    Oder vielleicht doch.
    »Sieh selbst.« Ich flüsterte den Vorschlag nur, um den Dolch beim Sprechen nicht noch tiefer zu treiben. »Beiß mich und sieh selbst.«

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