Braut der Schatten
nicht erkannte. »Lügen ist kontraproduktiv und unlogisch.«
»Oh.« Ihre Tränen versiegten. Die Angst, die ihr Leben so oft dominierte, war von ihr gewichen – ohne dass sie wusste, warum. Vielleicht weil dieser Vampir sie nicht gebissen hatte, obwohl sie ihn erweckt – und dazu noch erzürnt – hatte. Seine Zurückhaltung beruhigte sie ein wenig.
Stattdessen drängten sich andere Emotionen in den Vordergrund. Sie fühlte sich gedemütigt und immer noch betrunken, und ihr Körper erschien ihr fremd.
Oh ihr Götter, sie hatte es gerade mit einem ihr völlig unbekannten Vampir namens Trehan Dakiano getrieben, und nicht mit ihrem Geliebten.
Dieser Mann hatte sie berührt wie niemand je zuvor. »Aber du hättest mich am liebsten gebissen? Das macht deine Art doch so?«
»Ich habe noch nie jemanden gebissen.«
Es fiel ihr schwer, dies zu glauben. Jedem Vampir, den sie je kennengelernt hatte – und das waren nicht wenige, da ihre Dämonarchie sich in der Vergangenheit auf die Seite der Horde geschlagen hatte –, hatte die Blutgier rote Augen verpasst.
Als er sich umdrehte, sah sie für einen kurzen Moment seine Augen, ehe sie den Blick abwandte.
Völlig klar, keine Spur von Blut?
»Sieh mich an. Lerne den Mann kennen, dem du gehörst.«
Vorsichtig schaute sie hoch.
Er sah gar nicht mal so schlecht aus, dachte sie, auf eine wütende, grüblerische Art und Weise. Er besaß gemeißelte Wangenknochen und ein starkes Kinn. Sein breiter maskuliner Kiefer war glatt rasiert, sein Haar dicht und schwarz. Seine Augen glänzten vor Emotionen wie Onyx. Sie fragte sich, welche Farbe sie wohl normalerweise besaßen.
Seine Züge waren, jeder für sich genommen, durchaus angenehm. Insgesamt aber wirkten sie zu streng, sodass seine Miene harsch erschien.
Er war genauso groß und muskelbepackt wie Cas. Es war also nicht ganz so abwegig, die beiden zu verwechseln, überlegte sie in ihrem noch angetrunkenen Gehirn.
Insgesamt aber war er nicht einmal annähernd so prächtig wie Caspion – der Standard, an dem sie alle Männer maß.
Obwohl der Vampir ihr befohlen hatte, ihn anzusehen, schien ihr musternder Blick ihm unangenehm zu sein. Vermutlich war es ziemlich unhöflich, ihn derart anzuglotzen, aber sie hatte noch nie zuvor einen Vampir ohne Hemd gesehen. Und immerhin waren sie eben erst intim gewesen.
Ihr Blick wanderte zu seiner muskulösen Brust. Was für einen seltsamen Kristall er trug …
»Nenn mir deinen Namen, Frau.«
Ihr Kopf fuhr hoch. »Ich bin Prinzessin Bettina.«
»Bettina«, sagte er mit seinem ungewöhnlichen Akzent. »
Bettina
«, wiederholte er mit belegter Stimme, als ob ihm die Art und Weise gefiele, wie ihm dieser Name auf der Zunge lag.
Seine überaus talentierte Zunge. Sie erschauerte unmerklich, als sie sich erinnerte, wie er sie bei ihren Brüsten eingesetzt hatte, wie er ihre Nippel geleckt hatte, seine Zunge hatte dagegenschnellen lassen. Sie wurden gleich wieder hart unter der Decke.
»Und von welchem Königreich bist du die Prinzessin?«
»Warum sollte ich dir überhaupt irgendetwas sagen?« Dann erst sickerte zu ihr durch, was er zuvor gesagt hatte. »Dir
gehören
? Hast du das tatsächlich gesagt? Ich kenne dich doch nicht mal! Du hast meinen … Zustand ausgenutzt, mich glauben lassen, du wärst ein anderer. Du hast geschwiegen, nur damit ich deine List nicht durchschaue!«
Als sich seine Miene erneut verfinsterte, hätte jeder, der noch halbwegs bei Verstand war, es mit der Angst zu tun bekommen. Doch ihre ach so vertraute Angst war komplett verschwunden.
Weil er seiner Braut nicht wehtun kann.
Außerdem schlichen sich bereits einzelne zarte Sonnenstrahlen in den von der Kerze erleuchteten Raum. Sie würden ihn doch sicherlich in wenigen Momenten vertreiben.
»Ich bediene mich keiner Listen, Sorcera.«
»Und warum hast du dann geschwiegen?«
»Ich habe lediglich deinen Befehl befolgt.«
Oh. Sie hatte ihn in der Tat gebeten zu schweigen. Wieso war in dieser Nacht nur alles so schrecklich schiefgelaufen?
Dieser Vampir hatte seine Braut – sie – gefunden und war seinem Instinkt gefolgt. Bettina war diejenige, die sich einer List hatte bedienen wollen: Verführung. »Du weißt, dass ich all diese Dinge nur gesagt habe, weil ich dich für einen anderen gehalten habe.«
An seinem breiten Kiefer zuckte ein Muskel. »Und ich habe nur so reagiert, wie ich es tat, weil ich unbedingt wissen wollte, welche Vergnügungen du wohl so vorgesehen hattest. Ich wollte wissen, wieso es
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