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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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schweigend ein paar Tage lang beten. Doch wer weiß, vielleicht würde das Padre Sebastiano, der hier so lange allein gelebt hat, gar nicht gefallen.«
    Obwohl sie so leise wie möglich geredet hatte, trafen sie
einige Blicke, Blicke, die alles andere als freundlich ausfielen. Seit dem ungewöhnlichen Fund der Leiche hatte die Stimmung der Leute von Rieti mehr und mehr umgeschlagen. Zweimal schon war Stella mitten auf der Gasse regelrecht angerempelt worden, als versuchte man ihr auf diese Weise zu zeigen, wie unerwünscht sie hier war.
    Padre Umberto, Pfarrer von San Pietro, der zweitgrößten Kirche Rietis, hatte die Totenmesse gehalten und ging nun, begleitet von zwei halbwüchsigen Ministranten, auf das Grasstück hoch in den Bergen zu, unter dem die anderen frommen Brüder bestattet lagen. Ein bescheidenes Holzkreuz, auf dem jemand ihre Namen eingeritzt hatte – mehr erinnerte nicht an sie. Nun würde noch ein weiterer Name dazukommen.
    Man hatte den Leichnam in ein Leinentuch eingenäht und abermals auf die Holzbahre gelegt, die nun vier Männer geschultert hatten. Kein Franziskaner sollte in einem Sarg bestattet werden, so weit ging die Liebe zur Armut selbst nach dem Tod.
    Als der Zug vor dem frisch ausgehobenen Erdloch haltmachte, verstummten auch die Klageweiber. In diesem Moment begann eine Lerche zu singen, als ob sie dem Verstorbenen auf besondere Weise Adieu sagen wollte. Viele weinten, andere sahen mit feuchten Augen zu, wie der Tote im weißen Tuch von der Bahre gehoben und langsam ins Grab gesenkt wurde.
    Plötzlich wollten alle offenbar ganz nah sein, um nichts zu verpassen. Von hinten drückten die Menschen immer stärker nach vorn, sodass Stella, die ein wenig seitlich stand, ungestüm angeschoben wurde. Einer der Männer hinter ihr streckte seine Hand aus und riss ihr dabei die Haube vom Kopf.
    Versehen oder Absicht? Im dichten Gedränge ließ sich
das nicht mit Bestimmtheit sagen, doch ein ungutes Gefühl blieb zurück. Sie angelte nach der Haube, war jedoch zu langsam, um sie noch zu erhaschen, und musste sich im Gedränge der Beine und Röcke nach ihr bücken. Als Stella nach einer Weile mit geröteten Wangen wieder nach oben kam, spürte sie den Wind in ihren kurzen dunklen Haaren.
    »Guarda – una puttana!«
    Wer hatte das hässliche Wort ausgesprochen?
    Stellas Kopf flog herum, doch sie sah nichts als verschlossene Gesichter.
    »È la puttana del monaco!« , hörte sie nun abermals in ihrem Rücken, bereits um einiges lauter.
    Die junge Frau wurde flammend rot und bedeckte hastig wieder ihren Kopf. Spucke flog durch die Luft, verfehlte aber ihr Ziel und landete direkt vor ihr im sommerlich verbrannten Gras.
    Sie schaute schnell zur Seite, als habe sie es nicht bemerkt.
    »Was heißt das?«, fragte Leo flüsternd. »Ich habe monaco verstanden. Haben sie etwas von mir gesagt?«
    »Nichts. Gar nichts!«, gab sie leise zurück. »Ich hab es nicht genau gehört.«
    »Du lügst. Schau mich an! Ich will wissen, wieso du auf einmal so verletzt und wütend aussiehst.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Bitte, Stella …«
    »Hure haben sie mich genannt«, stieß sie hervor. »Mönchshure, wenn du es ganz genau wissen willst. Bist du nun zufrieden? «
    »Aber das dürfen sie nicht!«, rief Leo, ohne seine Stimme zu senken. »Wir müssen ihnen sagen, dass …«
    »Sei bloß still!«, zischte Stella. »Damit würdest du alles nur noch schlimmer machen. Hast du nicht erst kürzlich
gesagt, dass die Leute immer reden, dir das aber ganz egal ist? Dann steh jetzt auch dazu!«
    Pino und Antonella traten ans Grab und warfen jeder ein Schäufelchen Erde hinunter. Viele schlossen sich ihnen an, ganz zum Schluss auch Stella und Leo.
    »Ich weiß, Padre Sebastiano, du hättest den kommenden Winter noch bestens überstanden«, murmelte sie. »Besondere Menschen wie dich wärmen sogar Fels und Stein. Ich werde an dich denken und dich in mein Gebet einschließen.«
    Leo brachte kein Wort heraus und verabschiedete sich stumm von dem alten Einsiedler. Du bist jetzt wieder bei den anderen, dachte er beklommen, dem Heiligen und seinen Gefährten. Wohin aber wird mein verschlungener Weg mich noch führen?
    Die Trauernden begannen sich bereits zu zerstreuen und den Weg zurück nach Rieti anzutreten. In Pinos Herberge war ein Leichenschmaus anberaumt, von reichen Bürgern der Stadt gespendet, denen der alte Eremit Trost und Hilfe gewährt hatte.
    »Lass sie ruhig voranreiten!«, sagte Leo. »Zu essen gibt es sicherlich mehr

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