Braut von Assisi
angekommen. Aber was sollte er sagen? Und wie sich vor allen Dingen mit dem Bischof verständigen? Sein Latein war stets dürftig geblieben, kein Vergleich mit anderen Brüdern seines Ordens, die die Priesterweihe erhalten hatten und sich in der Sprache der Gelehrten flüssig unterhalten konnten. Natürlich reichte es aus, um die vorgeschriebenen Gebete zu sprechen und der heiligen Messe andächtig zu folgen, doch zu schwierigerer Lektüre hatte es nie getaugt. Franziskus war auch hierin sein Vorbild gewesen, der poverello, der das Gelaber der Gebildeten verachtet und es vorgezogen hatte, so zu reden, wie die einfachen Leute es taten. Doch in diesem Augenblick bedauerte Leo sein Unvermögen von ganzem Herzen.
Seine Beine freilich schienen keine Skrupel zu haben, denn sie trugen ihn unverzagt voran, und so fand Leo sich
sehr bald vor der Pforte des Bischofspalastes wieder. Unschlüssig machte er ein paar Schritte hin und her.
Er brauchte Beistand, doch konnte er hier so einfach eindringen? Und falls ja, dann mit welchem Erfolg, da ihn vermutlich ohnehin niemand verstehen würde? Die Vernunft begann Leo einzuholen, und er entschloss sich, lieber wieder wegzugehen.
»Aspetta!« Die Männerstimme, die ihn zurückrief, war hell und klang unfreundlich. »Che vuoi qui, fratello?«
Was er hier zu suchen hatte? Wenn Leo das nur genau erklären könnte!
Die Stimme gehörte zu einem mageren Mann, der die schwarze Kutte der Benediktiner trug und ihn unter gerunzelten rötlichen Brauen missmutig anstarrte.
»Sono Leo, un monaco tedesco« , begann Leo, der sich von den hellen Augen unangenehm bedrängt fühlte, »qui …«
»Das hört man schon beim ersten Ton, dass du nicht von hier bist.«
Der Benediktiner sprach Deutsch. Eine jähe Hoffnung begann in Leo zu keimen. Bedeutete das, dass der Fremde bei seinem Vorhaben sein Sprachrohr werden könnte?
»Ich bin Bruder Leo vom Ulmer Kloster«, sagte er rasch. »Unterwegs auf Visitationsreise.«
»Und was willst du hier bei uns in Rieti?«
Die kalten grauen Augen seines Gegenübers gefielen Leo ganz und gar nicht.
»Das würde ich dem Bischof am liebsten selbst sagen«, erwiderte er. »Bring mich bitte zu ihm! Ich komme gerade aus der Messfeier, die er gehalten hat.«
Der Benediktiner lächelte dünn. »Gemach, gemach! Dazu hättest du erst einmal eine Audienz beantragen müssen, was du versäumt hast, denn sonst wüsste ich es – als Secretarius des Bischofs, durch dessen Hände alle Anfragen
gehen. Und hier meine Antwort: Die Gesundheit Seiner Exzellenz ist angeschlagen und seine Zeit äußerst knapp bemessen. Ich bedaure also.«
»Müssen wir das unbedingt auf der Straße besprechen?«, fragte Leo leise.
Etwas in seiner Stimme schien den anderen erreicht zu haben.
»Dann komm!« Der Secretarius drückte mit dem Unterarm die Pforte auf, und Leo folgte ihm.
Drinnen herrschte angenehme Kühle, denn die schmalen Fenster waren mit Tüchern verhangen, um die Hitze auszusperren.
»Nein, nein, bloß nicht da hinauf!«, rief er, als Leo wie selbstverständlich auf die breite Treppe zusteuerte, die in die oberen Geschosse führte. »Der Bischof schätzt Ruhe und noch einmal Ruhe.« Er packte Leo am Ärmel und zog ihn den Gang entlang. »Hier hinten können wir reden.«
Sie kamen in einen länglichen, mit Steinfliesen ausgelegten Saal, der geräumig genug war, um auch große Festlichkeiten abzuhalten. An den Wänden wechselte kostbare Holztäfelung mit verschiedenen Fresken. Eins davon zeigte den heiligen Laurentius, der auf einem Rost gefoltert wurde; ein anderes den heiligen Andreas mit Fisch und Strick, im Hintergrund das schräg gestellte Kreuz, an dem er den Tod gefunden hatte.
»Bischof Gaetano macht sich nicht viel aus euch Franziskanern, musst du wissen«, sagte der Secretarius. »›Mit dem Verrückten aus Assisi kam die Unruhe in die heilige Kirche‹, pflegt er häufig zu sagen. ›Und seine Jünger schlagen genau in dieselbe Kerbe. Humiliaten, Spirituale, all diese fraticelli , die in der Städten Leute halb um den Verstand bringen. Das alles haben wir einzig und allein ihm zu verdanken.‹ Seiner Exzellenz liegen die Brüder
und Schwestern anderer Orden deutlich mehr am Herzen.«
»Ich kann nicht dulden, dass du so von Franziskus sprichst«, sagte Leo. »Er hat das Licht zurück auf diese Welt gebracht. Eine Welt, in der es durch viele Sünden und Versäumnisse der Kirche schon sehr dunkel geworden war.«
»Das mag Ansichtssache sein.« Die Stimme des
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