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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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verweint zwar, doch dahinter strahlend von erfülltem Glück. Glaubt mir, damit kenne ich mich aus!«

    Als die Kirchenglocken zum Mittagsläuten einsetzten, spürte Leo eine zupackende Hand auf seinem Gesäß. Im gleichen Moment durchschnitt eine scharfe Klinge das Lederband, das seinen Beutel mit den heimlichen Schätzen barg. Blitzschnell ging er in die Hocke und fing den Beutel auf, bevor er auf den schmutzigen Boden fallen konnte.
    »Vuoi compagnia, padre? Farò tutto ciò che ti piace!«

    Verblüfft starrte Leo in das verdreckte Gesicht eines höchstens zwölfjährigen Straßenjungen, der ihm soeben unverfroren seine Liebesdienste angeboten hatte. Als sei es damit noch nicht genug, schnellte die rosige Zunge des Jungen kurz aus dem Mund und beulte danach anzüglich die Wange aus, während der kaum ältere Komplize mit dem Messer bereits das Weite gesucht hatte.
    »Vai via, cretino!« , schrie Leo und hob die Hand, als wolle er zuschlagen.
    Als der Kleine im dichten Gewühl verschwunden war, verknotete Leo den Beutel erneut und stopfte ihn unter die Kutte. Dann ging er weiter, die Stute eng am Halfter führend und erleichtert darüber, dass Fidelis sich von der Unruhe ringsum nicht irritieren ließ. Nach der Einsamkeit der Sabiner Berge erschien Leo Rom als wahrer Hexenkessel, die Straßen und Plätze voll von Menschen, die laut redeten und eifrig gestikulierten. Die Wirte der Tavernen hatten Tische und Bänke nach draußen getragen, um Gäste anzulocken. Der Duft von Schweinefleisch, das über offenem Feuer an einem langen Spieß röstete, ließ Leo abermals innehalten, doch dann zwang er sich zum Weitergehen.
    Sein Ziel war Santa Maria in Aracoeli, das Franziskanerkloster der Ewigen Stadt. Und wenn er sich bis hierher richtig durchgefragt hatte, konnte es nicht mehr weit sein. Eigentlich hätte ihm besser angestanden, im St.-Antonius-Hospital um Unterkunft zu bitten, wie es damals Franziskus und seine Gefährten bei ihrer Romreise getan hatten. Doch Leo grauste vor den Leprakranken, die dort lebten und litten, und die seltsame Begegnung mit jenem Aussätzigen in Assisi, der sich im Tod schließlich als gesund entpuppte, hatte seine alten Vorbehalte nur bestärkt.
    Als der hohe Bau aus einfachen Ziegelsteinen vor ihm auftauchte, schlug sein Herz vor Freude schneller. Das war
kein Prachtbau wie jene Doppelbasilika in Assisi, die all dem widersprach, was Franziskus jemals gepredigt und gelebt hatte. Diese schlichte Kirche mit dem angrenzenden Kloster hätte gewiss auch die Zustimmung des poverello gefunden.
    Man öffnete ihm, kaum dass er angeklopft hatte, und bat ihn hinein. Allerdings verstand keiner der Mönche Deutsch, bis auf den dicken Cellerar, den man eiligst herbeiholte, weil er wenigstens ein paar Worte radebrechen konnte. Allerdings schien er beim Auflisten der Weinbestände allzu tief ins Glas geschaut zu haben, denn er stammelte und lallte unüberhörbar.
    Dennoch gelang es Leo mit seiner Hilfe, sein Anliegen verständlich zu machen. Er bat um Aufnahme für ein paar Tage und Nächte, weil er in der Stadt der beiden großen Apostel zu innerer Einkehr finden wollte. Man wies ihm ein knochenhartes Lager im großen Dormitorium zu, das frei geworden war, weil der Bruder, dem es gehört hatte, vor einigen Wochen verstorben war, zeigte ihm, wo Fidelis im provisorischen Stall unterkommen konnte, und kehrte zum Klosteralltag zurück.
    Plötzlich schienen die Mauern sich enger um Leo zu schließen. Durfte er überhaupt in der Mitte der frommen Brüder bleiben – nach dieser Sünde, die er auf sich geladen hatte und die zu bereuen ihm so unendlich schwerfiel, weil sie gleichzeitig höchstes Glück für ihn bedeutet hatte?
    Er begab sich in den Kreuzgang, in dessen Mitte eine Pinie für Schatten sorgte, zog seinen Rosenkranz heraus und versuchte zu beten. Doch seine Gedanken irrten immer wieder ab. Schließlich schlüpfte er durch die schmale Tür, die ins Innere der Kirche führte.
    Den Duft nach Weihrauch und Frömmigkeit sog er begierig ein. Jetzt brauchte er nur noch jemanden, der ihn
anhören würde. Keiner der Beichtstühle war zu seinem Bedauern besetzt. Er würde sich also bis zum nächsten Tag gedulden müssen, um seine Seele zu reinigen.
    Aber war er wirklich dazu bereit? Und würde er jemanden finden, der ihn auch verstand?
    Das Altarbild zeigte die Gottesmutter im blauen Mantel mit dem Jesuskind an der Brust, ein Anblick von solcher Liebe und Innigkeit, dass er sich mit einem Mal getröstet

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