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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht zum ersten Mal. Wie bei allen bisherigen Besuchen sah Antonella
mehrere Pergamentbögen auf dem Tisch liegen, daneben ein Tintenfass. Was immer er verfassen wollte, es musste umfangreich und einigermaßen kompliziert sein, denn der Stapel war seit dem letzten Mal deutlich gewachsen, aber sie entdeckte auch einige Bögen, denen man ansah, wie oft sie sorgfältig abgeschabt worden waren. Wie nur brachte er es jedoch zustande, in diesem schwindenden Licht seine Buchstaben zu kritzeln?
    »Die junge Frau ist also nach Greccio aufgebrochen«, fuhr der Mann fort, den sie für sich »Schatten« nannte. Er hatte ihr einen beliebigen Namen gesagt, mit dem sie ihn anreden sollte, doch sie wussten beide, dass er falsch war. »Hat sie dir auch gesagt, was sie dort will?«
    »In sich gehen«, erwiderte Antonella mit dem letzten Rest von Loyalität, der noch in ihr war. »Sie sei eine Pilgerin und habe ein Gelübde abgelegt, das sie dort einlösen muss. Mehr weiß ich nicht.«
    »Ein Gelübde – ha!« Es klang wie ein Tierlaut und kam aus der anderen Ecke des Raums.
    Antonella schrak zurück. War ein Wunder geschehen? Bislang hatte sie den Gefährten des »Schattens« stets für stumm gehalten, weil in ihrer Gegenwart niemals auch nur ein einziger Ton über seine Lippen gekommen war.
    »Ihr könnt sprechen?«, krächzte sie.
    »Gott, der Herr, vermag jedes Wunder zu vollbringen«, sagte der »Schatten«. »Und an uns ist es, Ihn zu rühmen und zu preisen.« Die Stimme gerann erneut zu Eis. »Und der Mönch?«, zischte der Mann. »Wird er nach Rieti zurückkommen? «
    »Woher soll ich das wissen?«
    Mit einer geschmeidigen Bewegung war er hinter sie gesprungen. Er berührte sie nicht, und doch spürte sie seine Gegenwart wie einen kühlen Hauch.

    »Du hast keinerlei Anlass, so schnippisch zu sein«, murmelte er. »Denn bisher waren mein Gefährte und ich überaus großzügig zu dir. Das allerdings könnte sich ändern. Und mehr als das: Was, glaubst du, würden die guten Leute von Rieti tun, wenn sie erführen, dass ihr Mörder unter eurem Dach beherbergt habt?«
    »Mörder?«, flüsterte Antonella und wagte kaum noch, sich zu bewegen. »Padre Sebastiano ist doch durch einen Unfall ums Leben gekommen …«
    »Durch eine Mure am helllichten Tag und bei strahlendem Wetter? Träum weiter, du Törin!«
    Er musste ein Stück zurückgetreten sein, denn sie konnte wieder leichter atmen und sog die Luft begierig ein. Plötzlich legten sich zwei sehnige Hände um ihren Hals.
    »Nicht der erste Bruder, der sein Leben verloren hat, als ausgerechnet diese beiden bei ihm waren«, flüsterte der »Schatten« an ihrem Ohr. »Assisi musste den Tod von Fra Giorgio beklagen, den man vergiftet hat. Und dann wird Padre Sebastiano unter einer Steinlawine begraben …« Er lockerte seinen Griff. »Ein wenig viel des Zufalls, wenn du mich fragst.«
    »Soll das heißen, der Mönch und die junge Frau sind in Euren Augen zweifache Mörder?«, japste Antonella.
    »Das habe ich nicht gesagt.« Der »Schatten« zog sich in die Dunkelheit zurück. »Obwohl es noch andere Menschen in Assisi gab, die innerhalb kurzer Zeit eines ungeklärten Todes gestorben sind. Ich kann euch allen hier nur empfehlen, die Augen offen zu halten, damit kein weiteres Unglück geschieht!«
    »Das habe ich bereits«, sagte Antonella, plötzlich wieder ganz und gar bereit, ihm dienlich zu sein.
    »Was soll das heißen?«, fragte nun der vormals Stumme,
der plötzlich reden konnte. Wie der »Schatten« hatte er sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
    Antonella starrte ihn an, erkannte aber nichts als Hügel und Täler aus leicht verwittertem Fleisch, was sie abermals irritierte.
    »Sie sind ein Liebespaar, falls Euch das interessiert«, sagte sie, so fest wie möglich.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte der »Schatten« lauernd. »Hast du sie etwa bei der Unzucht erwischt?«
    »Das nicht, aber ich habe Reste von blutigem Stroh in der Bettstatt entdeckt. Die junge Frau hatte sich offenbar bemüht, alles zu entfernen, aber sie war wohl nicht sorgfältig genug.« Jetzt klang sie offen triumphierend.
    »Das kann auch andere Gründe haben. Weiber bluten nun mal wie Tiere«, kam es abfällig aus dem Dunkel.
    »Ihr habt ihre Augen nicht gesehen.« Antonella hatte ihre Selbstsicherheit zurückgewonnen.
    »Was soll mit ihren Augen sein?«, knurrte der »Schatten«. »Hör endlich auf, um den Brei herumzureden, und werde konkret!«
    »Sie hatte die Augen einer Braut. Leicht

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