Braut von Assisi
Schar von Nachkommen bot.
Offenbar zur rechten Zeit, denn Ilaria, die Stella lachend und weinend zugleich um den Hals fiel, nachdem eine Bedienstete sie herbeigerufen hatte, und die Stella festhielt, als wollte sie die Ziehschwester nie mehr wieder loslassen, war unübersehbar schwanger.
»Ja«, sagte sie leicht verlegen, als sie Stellas prüfenden Blick auf ihrem Bauch ruhen sah, der das leichte blaue Kleid wölbte. »Du weißt doch, dass wir einfach nicht warten konnten! Hab ja schon zur Hochzeit kaum noch in mein Gewand gepasst. Aber das Kleine wächst auch ungewöhnlich schnell. Die Hebamme meint, es könnten sogar zwei werden. Kannst du dir das vorstellen, sorellina ? Vielleicht werden wir bald Zwillinge haben, dann muss
keiner von ihnen jemals allein sein.« Sie griff nach Stellas Hand, zog sie mit sich. »Aber jetzt komm erst einmal herein! Federico wird Augen machen, wenn er dich sieht.«
»Er ist zu Hause?«, fragte Stella, während ihr Blick über die kostbare Inneneinrichtung glitt. Silberbeschlagene Truhen, Teppiche, Holzvertäfelungen, kostbare Leuchter – an alles, was ein Heim wohnlich machen konnte, war hier gedacht.
»Nein, ich erwarte ihn erst gegen Abend zurück. Sein Onkel hat ihn gebeten, auf einem der Landgüter nach dem Rechten zu sehen. Der alte conte hat ja sonst niemanden mehr, auf den er sich stützen könnte.« Sie führte Stella in ein luftiges Zimmer im ersten Stock. »Ich bin so froh, dich wiederzusehen! Am liebsten würde ich dich nie mehr fortlassen. «
Stella war zum Fenster gegangen und spähte hinaus. In der Ferne ragte die gewaltige Kathedrale San Francesco auf. Zum ersten Mal seit Tagen war Leo ihr auf einmal wieder ganz präsent. Ob er bald in Assisi eintreffen würde? Um sich dann von hier aus auf seine Heimreise zu begeben?
Ihr Herz schien plötzlich heftiger gegen die Rippen zu schlagen. Zeitlebens würde sie sich nach ihm sehnen, das wusste sie in diesem Augenblick. Es würde niemals vorbei sein.
»Der alte conte hat doch einen Sohn, der das für ihn erledigen kann. Auch wenn manche ihn für einen Bastard halten mögen, nach allem, was sich zugetragen hat«, sagte Stella und wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme dabei blieb. »Carlo – du darfst den Namen in meiner Gegenwart ruhig in den Mund nehmen, Ilaria. Ich fürchte mich nicht länger vor ihm.«
»Ach, Stella!« Tränen standen in Ilarias blauen Augen. »Du hast ja keine Ahnung, was geschehen ist, während du weg warst! Carlo …« Sie biss sich auf die Lippen.
»Was ist mit Carlo?«
»Carlo lebt nicht mehr. Man hat ihn erstochen. In einem … Bordell in Perugia, das er offenbar regelmäßig besucht hat. Ein paar der Freier dort hatten offenbar stark getrunken, und es gab Streit um eine gewisse Dirne, die die Männer gegeneinander ausgespielt hat. Viel zu schnell wurden Messer gezückt. Eines davon traf Carlo mitten ins Herz. Er muss auf der Stelle tot gewesen sein. Seine Leiche unauffällig aus jenem verrufenen Haus zu schaffen und dann nach Assisi zu bringen, ohne dass sich wieder die ganze Stadt das Maul zerreißen konnte, war alles andere als einfach. Federico hat sich darum gekümmert und die heikle Aufgabe perfekt gemeistert. Verstehst du nun, warum sein Onkel ihn auch in anderen Dingen an seiner Seite haben möchte?«
Ilarias Worte erreichten sie, aber es dauerte eine ganze Weile, bis sie Stella auch berührten. Carlo war tot – Carlo mit seinem Prahlen, seiner Lebensgier, seinem bitteren Stolz. Carlo, der an seiner Herkunft innerlich zerbrochen war. Nie mehr wieder würde er sich an schönen Schuhen erfreuen, nie mehr die kastanienbraunen Locken im Wind flattern lassen, nie wieder eine Frau gegen ihren Willen nehmen können! Hass und Abscheu waren aus Stellas Herzen verschwunden. Sie trauerte nicht um ihn, aber sie konnte ihm vergeben.
»Bitte zieh doch kein so ernstes Gesicht!«, flehte Ilaria. »Sonst muss ich ja glauben, du hast mich gar nicht mehr lieb.« Sie war zu Stella gelaufen und ergriff ihre Hand. »Tagelang konnte ich nicht mehr schlafen, nachdem du fort warst. Und was für Vorwürfe ich mir gemacht habe!
Dabei musst du wissen, sorellina, ich bin noch am Hochzeitsabend hinaufgeschlichen, um dich freizulassen. Aber du warst weg!« Bittend sah sie Stella an. »Kannst du mir verzeihen? Es war kindisch und eigennützig. Ich wollte dich einfach nicht verlieren.«
Stella blieb stumm.
»Heute weiß ich, ich hätte dir glauben sollen – und nicht Mamma mit ihrem ständigen Gerede von
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