Braut von Assisi
mochte das sein?
Leo fuhr herum, doch alle Läden zum Innenhof waren zum Schutz gegen das helle Sonnenlicht fest verriegelt. Auch der winzige Balkon vor einem der Fenster, kaum mehr als ein Austritt, aber liebevoll mit Blumentöpfen bestückt, war leer. San Damiano schien fest entschlossen, keines seiner Geheimnisse preiszugeben.
Entmutigt trat er durch die Pforte nach draußen und atmete unwillkürlich auf, als Fidelis ihm zuwieherte.
Wie sollte er weiterkommen?
Er würde Stella fragen, schoss es ihm durch den Kopf. Seine zweite Dolmetscherin, wie er sie insgeheim bereits nannte, war in Assisi geboren, kannte vermutlich jeden Platz, jedes noch so verborgene Eckchen. Vielleicht konnte sie ihm verraten, was es mit dieser seltsamen Botschaft auf sich hatte.
Der Streit war scheinbar aus dem Nichts entstanden und gleich danach so rasch aufgeflammt, dass es Stella schier den Atem verschlug. Gerade noch hatte sie zusammen mit Simonetta Ilarias aufwendigen Kopfputz begutachtet, der die schöne Braut am Hochzeitstag schmücken sollte, eine ghirlanda aus Goldstickerei mit Aberdutzenden gedrechselten und vergoldeten Holzperlen, goldenen Blättern, Emailleblüten und einer großen Emailleschleife, da begann ihre Ziehmutter schon loszuschreien.
»Ich bin deine eigenmächtigen Entscheidungen leid, hast du mich verstanden, Vasco Lucarelli? Leid. Leid! Leid!!!«
Vasco verzog keine Miene. Selten genug, dass er mitten am Vormittag nicht in seinem Kontor arbeitete, sondern sich zu Hause Wildschweinschinken und Wein munden ließ.
»Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass ich diese Mönche hier nicht mehr haben will!« Seine scheinbare Seelenruhe brachte Simonetta nur noch mehr zum Schäumen. »Wir schulden ihnen nichts – gar nichts. Wann wirst du das endlich kapieren, du Träumer?«
»Mein Haus ist und bleibt ein Ort der Gastlichkeit …«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ausgerechnet jetzt, wo uns die Doppelhochzeit bevorsteht! Ich weiß seit Wochen nicht mehr, was ich zuerst anfassen soll, und könnte ein wenig Unterstützung von deiner Seite wahrlich gut gebrauchen. Aber nein, mein Herr Gemahl fängt lieber fremde Mönche als ungebetene Gäste ein, die noch mehr Arbeit machen.«
»Schweig!«, donnerte Vasco. Die bläuliche Ader an seiner linken Schläfe war bedenklich angeschwollen, kein gutes Zeichen, wie alle wussten, die ihn näher kannten. »Hast du denn ganz vergessen, was wir beide einst feierlich gelobt haben?«
Ein rascher Blick zu Stella, den diese nicht recht zu deuten wusste. Auch Simonetta starrte sie an. Die beiden schienen sie ganz vergessen zu haben und sich erst jetzt wieder an ihre Anwesenheit zu erinnern.
»Und sind wir nicht überaus reich dafür beschenkt worden? «, fuhr Vasco noch immer grollend fort. »Mit dem Allerschönsten, das Eltern sich nur wünschen können? Ich dulde nicht, dass du so daherredest!«
Simonetta schnappte hörbar nach Luft. »So reich nun auch wieder nicht«, erwiderte sie spitz. »All die Jahre die vielen Mühen und Plagen, die vor allem auf meinen Schultern lasteten! Ein krankes Kind. Ein armes Kind. Ein ängstliches Kind – immer etwas anderes! Und wenn du erst einmal an den Schatten denkst, der seitdem über unserer Familie …«
Vasco war aufgesprungen und riss dabei aus Versehen den kleinen Tisch mit sich. Schinken und Brot fielen zu Boden, die Oliven kullerten quer durch den Raum.
»Hüte deine Zunge, Weib!« Seine kräftigen Hände hatten Simonettas Gelenke umklammert, und er schüttelte sie, als könnte er sie damit zum Schweigen bringen. »Wer so böse denkt und redet wie du, der zieht unweigerlich den heiligen Zorn Gottes auf sich.«
Stella hatte gerade noch Ilarias kostbaren Kopfputz in Sicherheit bringen können, als Simonetta sich wütend befreite und nun ihrerseits mit Fäusten auf ihn einschlug.
»Und du, du glaubst noch immer, du könntest dich freikaufen«, keifte sie. »Mit deinen Almosen, deiner Barmherzigkeit, vorwiegend aber mit deiner unendlichen Kriecherei allem gegenüber, das Kutte und Tonsur trägt. Aber das kannst du nicht, Vasco! Eines Tages wird die Vergangenheit dich trotzdem einholen, und dann wirst auch du erleben, dass …«
Seine Ohrfeige traf sie direkt unter dem Auge.
Simonetta gab einen kleinen Laut von sich, der an ein verletztes Tier erinnerte, presste die Hand an die Wange und sank auf einem Stuhl zusammen. Vasco lief zu ihr und beugte sich über sie, doch sie fuhr plötzlich auf und schlug blitzschnell die Zähne in seine
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