Braut von Assisi
Hand, sodass er aufjaulte.
Sofort wollte Stella zu den beiden, aber Vasco hob abwehrend seine unverletzte Hand und brachte sie damit zum Stehen.
»Lass gut sein, mein Mädchen!« Seine Stimme klang plötzlich müde. »Das hier geht nur sie und mich etwas an. Wieso machst du nicht mit Ilaria einen schönen Spaziergang? Die frische Luft wird euch beiden guttun.«
Weil Ilaria sich schon wieder heimlich mit Federico trifft, lag Stella bereits auf der Zunge, und nur so getan hat, als wolle sie in Begleitung der Zofe zur keuschen Beichte. Doch sie schluckte es schnell hinunter und brachte sogar ein halbwegs überzeugendes Nicken zustande.
Wie sie aus dem Haus gekommen war, wusste sie später nicht mehr. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Sonne als Liebkosung auf ihrer Haut empfand, ebenso wie die Brise, die sich erhoben hatte und angenehm kühlte. Unwillkürlich hatten ihre Füße den vertrauten Weg nach San Rufino eingeschlagen, doch als sie vor dem Gotteshaus angelangt war, fühlte sie sich plötzlich unbehaglich.
Ob wieder jemand hinter den verschlossenen Läden auf sie lauerte?
Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich beobachtet fühlte, aber bislang hatte sie das eher ihrer überhitzten Phantasie zugeschrieben. Die Gegenwart des fremden Mönchs jedoch hatte alles verändert. Plötzlich war real geworden, was sie bislang als Traumgespinst abgetan hatte. Der Pfeil in ihrer Schlafkammer, den er ihr heimlich zugesteckt
hatte, bevor sie sich zur guten Nacht verabschiedet hatten, war Beweis genug.
Seltsamerweise empfand Stella keine Angst. Es war eher ein dumpfes Gefühl der Beklemmung, das sie quälte, gemischt mit brennender Neugierde, die sie immer wieder an jenen padre denken ließ.
Wie lebendig er redete, mit Augen und Gesten, die umso eindringlicher wurden, je weniger ihm die passenden Worte einfielen. In seinen Bewegungen lag eine unschuldige Anmut, die sie ansprach, und sie mochte die Ernsthaftigkeit, die sie hinter allem spürte, wovon er sprach. Er war keiner der Männer, die die Frauen verachteten, sobald sie Kutte und Tonsur trugen – und doch hatte er sich für ein Leben im Kloster entschieden, das ihn um die Freuden von Ehe und Vaterschaft bringen würde.
Die Freuden der Ehe? Beinahe hätte Stella bitter aufgelacht. Mittlerweile verging kaum ein Tag, an dem Carlo sie nicht mehrmals daran erinnerte, und während Ilaria ihr neues Leben offenbar kaum noch erwarten konnte, wäre sie manchmal lieber geflohen, um gänzlich darauf zu verzichten.
Wahrscheinlich lauerte ihr Verlobter auch jetzt wieder irgendwo heimlich auf sie. Stellas Blicke flogen über den Platz, doch sie sah nur eine Frau in schäbigen Fetzenkleidern auf einem niedrigen Hocker, vor der sich eine kleine Schlange Wartender gebildet hatte.
Stella trat näher. Vor ihr ein Alte, die so gebeugt war, als drücke die Last eines ganzen Lebens auf ihren mageren Rücken; davor ein junges Mädchen mit vollen roten Wangen.
»Er wird dich verlassen.« Die Stimme der Handleserin war ruhig. »Doch dein ungeborenes Kind wird dein ganzes Glück.«
»Ich bin schwanger?«
Jetzt lachte die Handleserin lauthals. »Du weißt es längst, und ich weiß es auch. Jetzt musst du es nur noch deiner Mutter beibringen. Scht, keine Angst, meine Kleine! Sie wird euch beide nach Kräften unterstützen. Ihr kommt durch, und nicht einmal schlecht, das kann ich dir sagen. Und eines nicht zu fernen Tages sehe ich sogar einen kräftigen jungen Schmied, der dich zu seinem ehrbaren Weib machen wird.«
Sie spendet nichts als billigen Trost, dachte Stella, wie so viele andere auch. Dennoch rückte sie weiter vor. Eigentlich hielt sie nichts von solchem Aberglauben, aber heute zog irgendetwas sie wie magisch an.
»Der Tod ist schon ganz nah«, hörte sie die Handleserin zu der Alten sagen. »Höchste Zeit, endlich deine Angelegenheiten zu regeln. Ruf den Sohn zurück, mit dem du schon so lange in Unfrieden lebst!«
»Woher willst du das wissen?«, fuhr die Alte auf.
»Wärst du sonst zu mir gekommen?«, fragte die Handleserin. »Gianni, er heißt doch Gianni, dein Sohn, oder?«
Ein unmerkliches Nicken.
»Gianni wartet schon so lange darauf. Erlöse ihn endlich – und dich mit dazu!«
Jetzt konnte sie nicht mehr weggehen.
Hellbraune Augen musterten Stellas Gesicht, dann schüttelte die Frau in den bunten Fetzen langsam den Kopf.
»Du willst nicht«, sagte sie. »Dann kann ich auch nichts sehen. Geh!«
Plötzlich schien der Domplatz enger geworden zu
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