Braut von Assisi
weil er nicht wusste, was der andere mit ihm vorhatte. Schließlich kam ihm Federico, der bislang einsilbig am Tisch gesessen hatte, zu Hilfe, und gemeinsam gelang es ihm und Vasco, von hinten die Arme um ihn zu legen und ihm abwechselnd auf Rücken und Brustkorb zu schlagen.
Nichts geschah. Carlo riss die Augen auf, als wäre ihm der Leibhaftige erschienen, und wurde vollends blau.
»Jetzt!«, schrie Vasco. »Noch einmal mit aller Kraft!«
Die beiden Männer droschen so fest auf Carlo ein, wie sie nur konnten, und einen Augenblick fürchtete Stella, sie würden seinen Brustkorb dabei zertrümmern. Doch schließlich begann ihr Verlobter laut zu husten, dann zu würgen. Ein winziger Knochen schoss aus seinem Mund.
»Ich sterbe«, flüsterte Carlo mit nassen Augen. »Ich wünschte, ich wäre schon tot!«
Sofort war Stella neben ihm, legte ihre Hand auf seinen Scheitel und spürte, wie er sich unter der warmen Berührung langsam entspannte. Niemals zuvor hatte sie ihn so hilflos gesehen, so verletzlich. Niemals hatte sie sich ihm näher gefühlt.
»Nicht weggehen!«, protestierte er, als sie schließlich ihre Hand wieder wegziehen wollte. »Das tut so gut!«
Vasco und Simonetta, die mehr als erleichtert schienen, dass ihm nichts Schlimmeres zugestoßen war, gaben nickend ihr Einverständnis, nur Ilaria runzelte auf einmal die Stirn.
Der Abend endete sehr bald, viel früher als sonst, weil Carlo zum Heimgehen drängte und Federico nichts anderes übrig blieb, als seinen mitgenommenen Vetter zu begleiten.
Nach dem keuschen Abschiedskuss, den Carlo auf Stellas Stirn gehaucht hatte, rief Vasco seine angenommene Tochter noch einmal zu sich. Stella wusste, dass er mit starken Stimmungsschwankungen zu kämpfen hatte, die er zumeist mit sich selbst ausmachte, doch so besorgt wie an diesem Abend hatte sie ihn lange nicht mehr gesehen.
»Ist etwas zwischen euch beiden vorgefallen?«, begann er ohne Umschweife, kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen. »Dann frank und frei heraus damit, mein Mädchen!«
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Sie blieb vorsichtshalber auf der Hut.
»Komm schon! Glaubst du, ich wüsste nicht, was in jungen, heißblütigen Männern vor sich geht? Schließlich war ich selbst mal einer. Auch wenn es lange zurückliegt.« Er bemühte sich um ein Lächeln, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. »Du kannst mir alles sagen. Besser jetzt als später.«
Stella zuckte die Achseln. »Ich hab wirklich nicht die geringste Ahnung, worauf du hinauswillst …«
»Dann werde ich es dir sagen.« Breitbeinig baute sich der massige Kaufmann vor ihr auf. »Dein Verlobter war gerade nahe dran, einen Rückzieher zu machen, darauf will ich hinaus. Und hätte ich ihm nicht zugeredet wie einem kranken Gaul, so wäre deine schöne Hochzeit geplatzt wie eine Seifenblase.«
»Das hat Carlo gewollt?« Stella starrte Vasco erschrocken an. »Aber weshalb? Weil sein Vater gegen unsere Verbindung ist?«
»Der Conte ? Wie kommst du denn darauf? Nein, davon hat er nichts gesagt.«
Vorsicht verschloss Stella den Mund. Sie würde Perugia nicht erwähnen und nichts von dem preisgeben, was Ilaria ihr verraten hatte. Etwas war mit Carlo geschehen, das hatte sie den ganzen Abend gespürt. Etwas, das nur sie und ihn etwas anging.
»Was ist dann der Grund?«, fragte sie leise. »Liebt er mich nicht mehr?«
»Du kleine Törin!«, rief Vasco. »Natürlich liebt er dich! So sehr, dass er mir all seine Dummheiten gestanden hat, die ihn beinahe von eurer Hochzeit abgebracht hätten.«
Stella sah ihn fragend an. Ihr Herz pochte hart gegen die Rippen.
»Schulden hat er, der dumme Junge, und nicht zu knapp. Das hat er mir heute eingestanden, und er war schon bereit, auf alles zu verzichten. Das freilich hab ich ihm rasch ausgetrieben – und deine Mitgift im gleichen Atemzug noch einmal kräftig aufgestockt, um alles zu begleichen. Einen Teil kann er meinetwegen schon vor der Hochzeit bekommen, das hab ich ihm heute versprochen, damit dein Carlo della Rocca als freier Mann sein Eheversprechen ablegen kann. Was würde ich nicht alles für meine geliebte zweite Tochter tun?«
Er strahlte über das ganze Gesicht, doch seine Stimme klang dennoch leer, und etwas in Stella schnürte ihr den Hals zu, als sei er in einem zu engen Geschmeide gefangen, das urplötzlich zur Fessel geworden war.
»Danke«, flüsterte sie.
»Bist du nun glücklich, mein Kind?« Vascos Blick blieb fragend.
»Das bin ich.« Sie starrte zu
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