Braut von Assisi
Ärmeln um einiges üppiger ausgefallen war.
Sie versäumen keine Gelegenheit, mich den Unterschied spüren zu lassen, dachte sie. Immer wieder dieser Stich, der mich daran erinnern soll, dass ich nicht ihre leibliche Tochter bin, sondern lediglich ein Ziehkind, aus frommer Barmherzigkeit aufgenommen und aufgezogen. Daran ändert auch die plötzliche Großzügigkeit Vascos nichts, mit der er Carlos Schulden getilgt hat. Vielleicht kann ich den Makel meiner ungewissen Herkunft endlich vergessen, wenn ich erst einmal Carlos Frau bin und einen eigenen Haushalt führe.
Zum ersten Mal seit Langem gefiel ihr diese Aussicht.
Doch müßig herumliegen wie Ilaria mochte sie nicht mehr länger. Nebenan machte sie rasch Morgentoilette und bemühte sich, dabei möglichst leise zu sein, um die andere nicht zu wecken. Dann schlüpfte sie in ein Kleid, das schon unzählige Wäschen hinter sich hatte, band ihr Haar mit einem blauen Band zurück und lief hinunter in die Küche.
Von Simonetta keine Spur, dem Himmel sei Dank!
Doch sie musste ihren allmorgendlichen Befehlskübel bereits über die versammelte Dienstbotenschar ausgeschüttet haben, das erkannte Stella an den grimmigen Mienen der Mägde, die rührten, schnibbelten und ausrollten, als säße ihnen des Teufels Großmutter höchstpersönlich im Nacken.
»Wieso kann sie keine Haube tragen wie alle anderen anständigen Matronen in Assisi? Aber nein, sie muss sich ja unbedingt bei kandierten Veilchen und Zitronenlimonade vom Barbier die schütteren Haare aufwirbeln und mit glitzernden Steinen schmücken lassen, damit sie nicht mehr wie ein zerrupftes Vogelnest aussehen«, murrte Gaia, von der Natur mit braunen Locken gesegnet, die keinerlei Kniffe bedurften, um anziehend zu wirken. »Während unsereins die Kerne aus diesen verdammten Kirschen zu bohren hat, bis die Nägel wochenlang wie mit frischem Schlachtblut verdorben sind. ›Und dass mir ja alle Früchte heil dabei bleiben!‹«
Eine ausgezeichnete Imitation von Simonettas gezierter Sprechweise, die alle ringsum zum Lachen brachte.
»›Stellas künftiger Gatte soll Augen machen, wenn er meine berühmten Kirschtörtchen probiert!‹«
Das Lachen wurde lauter.
»Als ob der feine Herr Conte Augen für die Alte und ihre Törtchen hätte, die ohnehin von uns stammen! Der schaut ja kaum seine scheue Braut an, aber mich, mich hat er neulich doch tatsächlich am Bu…« Sie erhielt einen kräftigen Stüber von Carmela, die Stella erblickt hatte, und verstummte flugs.
»Komm, Kleines!« Das kam von Toma, die gerade Mehl auf den großen Tisch unter dem schmalen Fenster gesiebt hatte und in das glatte Weiß eine Kuhle für die weiteren Zutaten drückte. »Solch gedankenloses Dienstbotengegackere solltest du einfach überhören! Magst du mir beim Kneten zusehen?«
»Nein, lieber helfen«, sagte Stella, die sich bereits die Ärmel hochkrempelte. Das hatte sie schon als Kind am liebsten getan, trotz aller Verbote Simonettas, die sie jedes Mal aus der Küche vertrieb, kaum hatte sie sie dort erwischt.
Toma ließ sie gewähren, kalte Butterstückchen, Zucker, Eier und eine Prise Salz zugeben. Den Teig zu kneten tat Stella gut, die Ängste hineinzuarbeiten und auch die Verzweiflung, die sie trotz aller guten Vorsätze immer wieder zu überfallen drohte, wenn sie an das dachte, was vor ihr lag.
»Das reicht«, sagte Toma lächelnd. »Halt – Hände weg! Sonst kippt er uns noch um! Ist ja schließlich kein Brot, was wir hier backen.«
Sie machte die Kugel, die Stella geformt hatte, mit ein paar geschickten Bewegungen noch glatter.
»Jetzt muss er vor dem Ausrollen eine Weile ruhen.«
Der Teig bekam ein sauberes Tuch übergestülpt, und sie schob ihn mit ihren gichtigen Fingern beiseite. In einer Schüssel hatte sie bereits gestoßenes Eis vorbereitet, damit er kühl genug blieb. Im letzten Winter hatte sie kaum noch etwas anfassen können, so schlimm waren die Schmerzen in den Knoten gewesen, die von Jahr zu Jahr weiterwuchsen, als wären sie eigenständige Lebewesen. Doch seit die Sonne die Mauern wieder wärmte, hatten ihre Beschwerden deutlich nachgelassen.
»Willst du einen Becher heiße Honigmilch?«, fragte sie Stella.
Auch das ein Ritual, das sie beide seit vielen Jahren verband.
Die Köchin hatte es eingeführt, nachdem Marta das Haus verlassen und Stella nach ihr geweint hatte, ohne sich beruhigen zu lassen.
Die alte und die junge Frau schienen sich in diesem Augenblick daran zu erinnern.
»Ich hab nach
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