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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Schläge aus. Ada schrie und wollte zu ihnen rennen, doch Mozie hielt sie zurück, misch dich da nicht ein, sie schlug sinnlos mit den Fäusten auf ihre Oberschenkel, wieder und wieder, hört auf, hört endlich auf! Währenddessen entfernte sich das feige Taxi, regelrecht kriechend verließ es den Schauplatz.
    Frank versetzte Derk einen so kräftigen Schlag, dass er nicht sofort wieder auf die Beine kam. Schroff wandte er sich von der am Boden liegenden Figur ab. Ada schrie seinen Namen, aber er sah sie nicht an, wischte sich nur das Blut vom Gesicht. Es lag eine eiskalte Wut in der Bewegung. Hinter Frank rappelte Derk sich auf und hinkte weg, zum Taxi. Dabei sah er sich fortwährend um. Er stolperte, fing sich wieder und hinkte weiter. Beim Taxi angekommen, drehte er sich um. Er hustete, sein Brustkorb hob und senkte sich keuchend. Vollkommen außer Atem machte er zwei, drei machtlose Gebärden, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, um seiner Frau klarzumachen, dass sie zu ihm kommen sollte, jetzt. Auf der Stelle.
    Doch Ada konnte ihre Augen noch immer nicht von Frank abwenden, der immer wieder mit dem Handrücken über die Stirn rieb, als könnte er damit etwas Schreckliches abwischen. Auf dem Hof um ihn herum wurde es Winter.
    »Ada!«
    Sie wandte den Blick zu ihrem Ehemann, nahm aber nichts mehr wahr. Auf irgendeine Weise schien er zu merken, dass seine Gesten sinnlos waren. Er realisierte, dass Ada sich nicht bewegte, sie nicht zu ihm kam, und er ließ seinen Arm verdutzt sinken.
    Das war der entscheidende Moment.
    Direkt danach schoss sein Arm gerade hoch in die Luft, den wütenden Zeigefinger ausgestreckt und mit vor Ohnmacht verzogenem Gesicht zeigte er auf sie und schrie: »Wenn du nicht nach Hause kommst …«, er hustete, seine dünne Stimme überschlug sich, »wenn du nicht nach Hause kommst, wirst du deine Kinder nie mehr wiedersehen!«
    Um sie herum wurde es blitzartig dunkel, Ada versank in einem fensterlosen Keller. Irgendwo in der Ferne wandte Frank sich mit einer kühlen, scharfen Drehung um und rannte zu dem Baum, an dem er gelehnt hatte, als sie auf dem Hof ankam– in einem anderen Leben. Er ergriff das Gewehr. Unter seinen Füßen knackte das Eis, und lange Risse erreichten blitzschnell den Fleck, auf dem er stand.
    »Dann ist es meine Pflicht …«, schrie Derk noch. Es tat ihr leid, dass sie ihn zum Schreien zwang, dass er mit solch einer hässlichen, blutigen Visage dastehen musste, »dann ist es Gott gegenüber meine Pflicht, dich von den Kindern fernzuhalten!«
    Geh zu ihm, murmelte jemand im Keller, geh mit ihm nach Hause.
    Mozie hatte noch immer seine Arme fest um sie gelegt. Aber das war nicht der Grund für ihre Reglosigkeit. Ihr Hirn ließ keine Impulse durch, irgendwo war eine Blockade errichtet, die es ihr unmöglich machte zu handeln. Betäubt sah Ada zu, wie der eine sein Gewehr lud und der andere sich so schnell wie möglich zum zurücksetzenden Taxi schleppte. Doch nichts davon drang wirklich zu ihr hindurch. So betäubt kann man also Zeuge davon werden, wie von der einen zur anderen Sekunde ein Mensch einen anderen Menschen zu töten versucht.
    Es sah ungeschickt aus, fast kindisch. Derk, der humpelnd und galoppierend an der Autotür rüttelte, das Taxi, das weiter im Rückwärtsgang fuhr, Frank, der drei, vier Meter in Richtung Taxi rannte und dann mitten auf dem Hof stehen blieb und anlegte. Selbst die Schüsse klangen mehr wie dumpfe, trockene kleine Schläge statt wie das dröhnende Gewehrfeuer eines Filmhelden. Außerdem wusste man im Film genau, dass das Töten des Bösewichts eine gute Tat war.
    Die Autotür klappte auf, Derk fiel nach hinten und verlor das Gleichgewicht, ließ aber nicht los und konnte sich schleppend um die Autotür herum ins Auto zwängen. Ein Schuh rutschte von seinem Fuß und kullerte in den Sand, der linke des Paares, das sie zusammen bei Hannah’s gekauft hatten, seine braunen Sonntagsschuhe. Er hat seine Sonntagsschuhe angezogen, um mich zu holen. Eine Kugel prallte am Taxi ab, ein trockener, harter Schlag. Derk zog mit aller Kraft die Tür zu, sein Überlebenswillen einzig darauf gerichtet, diese Tür zuzuhalten, alles andere war unwichtig geworden. Sie konnte sich die Kraft seiner Finger vorstellen, wie die Nägel sich in das Fleisch bohrten und die Haut aufschnitten, ohne dass er davon etwas spürte. Dann hielt das Taxi abrupt an, der Fahrer schaltete, gab Gas, und das Auto raste heulend nach vorn, direkt auf Frank zu, der

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