Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
Vom Netzwerk:
Manchmal ist es gar nicht so leicht, ein großer Junge zu sein.
    Es wurde zum zweiten Mal gehupt. Marjorie zog ihre Schürze aus und eilte über den Flur, um mit Bobby gleichzeitig an der Tür zu sein. Auf einmal schien das wichtig zu sein. »Darling«, sagte sie, »what about The Lone Ranger?« Jeden Samstag guckte er zusammen mit seinen Freunden seine Lieblingsserie. Doch ihr Sohn riss ungeduldig die Tür auf und sprang über den Treppenabsatz hinweg auf den Gartenweg. Nichts war so wichtig wie eine Tour mit Frank zu den Geysiren. Resigniert nahm Marjorie die Tasche und folgte ihm. Das Datum hatte sie selbst bestimmt, weil Hans an diesem Wochenende mit Norman Forellen fischen ging und sie daher »endlich Zeit für sich haben würde«, wie sie es genannt hatte.
    Was sie tatsächlich vorhatte, behielt sie wohlweislich für sich.
    Den ganzen Monat über hatte eine Hitzewelle über ihrem Tal gelegen. Gestern Abend hatten Hans und sie auf ihrer Bank gesessen und auf die Lichter der Bucht geschaut, so wie sie es immer taten. Pass auf, sagte Hans, dass du dir diese Aussicht nicht von all diesen vagen Ängsten vermiesen lässt. Ja,
Mister
, sagte sie, ich weiß Bescheid.
    Während Marjorie über den schmalen Weg lief, die Tasche hoch über dem Kopf über die Rosen hinwegtrug und dann mit dem Rücken das weiße Tor aufdrückte, fragte sie sich wieder einmal, ob sie es wagen sollte, Esther zu besuchen. Was würde sie dann nur sagen? Wir haben einen Eid geschworen, zischte sie leise, als würde Esther ihr gegenüberstehen und das bestreiten.
    Bobby stand verdattert neben dem Jeep. Dort saß eine Frau neben Frank, eine blonde Frau in einem leichten, bunt gestreiften Sommerkleid. Dass Marjorie sie nicht sofort erkannte, lag an der Sonnenbrille und an dem kurzen Haarschnitt. Sie ging über die Straße zu dem Jeep. Es kam ihr vor, als würde sie die Frau in Verlegenheit bringen, als versuchte sie sich selbst unsichtbar zu machen, indem sie Büschel ihres kurzen Haars nervös um den Finger drehte. Frank stieg aus und kam ihr entgegen, good morning, sein Mund verzog sich ein wenig. Sein Kiefer war violettblau geschwollen. Ihr erster Gedanke war, dass er sich bestimmt geprügelt hatte. Er nahm ihr die Tasche ab und verstaute sie hinten zwischen dem übrigen Gepäck. Währenddessen lief Marjorie zu der Frau, um sich vorzustellen. Dann erkannte sie sie an dem leisen Piepsstimmchen. »Ada …? Ist das Ada?«
    Ein schüchternes Mädchen, noch immer. Der Körper dagegen irreführend sinnlich. Die Begrüßung war fast flüsternd, mit gesenktem Blick hinter den dunklen Brillengläsern.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut.« Es war kaum zu verstehen.
    »Und Derk?«
    »Auch gut.«
    »Wo ist er?«
    »Zu Hause, bei den Kindern.« Sie musste sich ein Stück vorbeugen, um überhaupt etwas zu verstehen. Marjorie sah von einem zum anderen, nach Erklärungen suchend.
    »Ada war hier in der Gegend«, erklärte Frank, »kennst du Derks Tante? Sie wohnt hier irgendwo in der Nähe. Sie ist krank.« Er rutschte auf den Fahrersitz, und sie sah, dass er trotz seines munteren Tonfalls müde aussah, tiefe Ringe unter den Augen. »Wie heißt sie nochmal, deine Tante?« Frank wartete interessiert auf die Antwort, doch die blieb aus. Ada wippte auf ihrem Sitz hin und her und lachte ein leises, piepsiges Lachen. Marjorie verstand überhaupt nichts. Eine merkwürdige Stimmung hing in der Luft. Welch ein angespanntes Herumgerede.
    Bobby zeigte ehrfürchtig auf den geschwollenen Kiefer. »Was hast du gemacht?« Ach, erklärte Frank, er hätte mit Mozie ein bisschen herumgetollt. Er selbst hatte den Ball gehabt und war damit weggerannt, als Mozie auf einmal nach seinen Beinen griff, doch er konnte ihm entkommen. Im Rennen hatte er sich umgesehen, um Mozie im Blick zu behalten, und dann war er mit voller Wucht gegen einen Baum geknallt. »Du weißt schon«, erklärte er, »der schräge am Hofrand.« Bobby nickte, er wusste genau, welchen Baum Frank meinte. Große Augen. Die Verletzungen im Gesicht seines Freundes trugen nur noch zu dem göttlichen Status bei, den er ohnehin schon bei ihm genoss. Doch Marjorie beschlich ein ungutes Gefühl. »Bringst du Ada zu ihrer Tante?«
    »Nein«, erwiderte er, »diese Tante kann auch mal auf sie verzichten, Ada kommt mit uns.« Marjorie sah auf das Kind, wusste, was für eine tiefe Enttäuschung es für den Jungen sein musste. Frank beugte sich vom Steuer aus zu ihm herüber. »
Don’t worry, mate,
wenn sie nervt, werfen wir sie in

Weitere Kostenlose Bücher