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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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auf dieser Erde.
    Er fing an, sich in ihr zu bewegen. Er drehte sich, auf ihr liegend, und drückte sich gebieterisch nieder, bei jedem Satz ein Stück weiter, in sie hinein, in einer Weise, die sie nie mehr vergessen sollte.
    »Who loves you?«
    Auf die Arme gestützt, zitternd vor Müdigkeit, drückte er mit seiner letzten Kraft Fragen in sie, drückte mit seinen Worten ihren Körper nach unten und ihren Kopf in die Kissen. Es waren rhetorische Fragen, er war sich seiner Sache sicher. »You …«, seufzte sie, als einzig mögliche Antwort.
    Das Laken rutschte vom Bett. Sie schlug ihre Beine um ihn herum. Er drückte sie tiefer und studierte dabei ihr Gesicht, fast sachlich, überheblich.
    »Who loves you?«
    »You …«
    »Do you feel me?«
    »Yes …«
    »Do you love me?«
    »Yes …«
    »Who do you love?«
    »You …«
    Das Ganze wiederholte sich immer wieder, bis absolute Übereinstimmung erreicht war. Danach blieben sie mit geschlossenen Augen liegen, doch sie schliefen nicht. Draußen breitete die Sonne die ersten goldenen Tücher über den Feldern aus. Ada dämmerte weg und dachte daran, wie glücklich er sie machte und wie unglücklich sie ihr Leben lang bei Derk sein würde. Als könnte er ihre Gedanken erraten, sagte er: »Ich ertrage es nicht, Ada, ich ertrage es nicht«, sie hörte die Risse, als würde er über unsicheres Eis zu ihr herüberrennen. Erschrocken, hellwach sah sie auf. Er krümmte sich und verbarg das Gesicht in den Händen. Ich bleibe bei dir, flüsterte sie den aufgeschürften Knöcheln zu.

23
    Am Samstagmorgen, genau einen Monat nach der Begegnung mit Esther in Wellington, bog sein Jeep zur vereinbarten Zeit – einer unchristlich frühen Uhrzeit – in ihre Straße ein. Im selben Augenblick ließ Marjorie den letzten Frühstücksteller mit dem blauen Rand aus der Hand fallen. Sie legte das Geschirrtuch auf die Spüle und starrte erschrocken auf die Scherben, die über den Fliesenboden verteilt lagen. Jetzt war nur noch die Zuckerdose vom Geschirr ihres Vaters übrig. Zehn Jahre lang hatte es ihnen gedient, immer wieder zerbrach mal ein Becher oder eine Schale, doch nach dem besagten Samstag in Wellington hatte sie fast täglich ein Teil davon fallen lassen. Die Tassen und Platten entglitten ihren verkrampften Fingern. Die Schalen sprangen regelrecht von der Spüle, sobald sie die Küche betrat. Marjorie richtete sich auf und sah durch das Küchenfenster hindurch in den Garten. Der Jeep hielt vor ihrem Haus. »Bobby darling«, rief sie, doch das war überflüssig, denn sie hörte, wie er oben bereits mit einem Ruck den Stuhl zurückschob.
    Natürlich ging das Geschirr ganz umsonst kaputt. Esther hatte sich nach dem Treffen nicht blicken lassen, und das würde auch nicht mehr passieren. Es waren ja schließlich deutliche Vereinbarungen getroffen worden. Aber kann man einander in einer Stadt wie Wellington aus dem Wege gehen? Ein Glück wenigstens, dass sie nicht im Zentrum wohnten und man nach Khandallah Village ein ganzes Stück mit der
Cable
herauffahren musste. Sie war den ganzen Monat über hier oben geblieben.
    Mach, dass sie von hier wegbleibt, dachte sie beschwörend und bückte sich, um Handfeger und Kehrblech aus dem Putzschrank zu holen. Lass sie wegbleiben. Diesen Gedanken wiederholte sie seit dem Treffen Dutzende Male am Tag. Mindestens ebenso oft musste Hans sich diesen Satz anhören. Er zuckte dann nur die Schultern. Was hast du nur für Hirngespinste, sagte er kopfschüttelnd, mach dir das Leben doch nicht unnötig schwer, hab ein wenig Vertrauen. Wenn du nicht daran denkst, geht es von allein vorbei. Aber Marjorie konnte an nichts anderes denken.
    Wirbelnde Kinderfüße über ihrem Kopf. Draußen wurde gehupt. Eine Tür schlug, jemand polterte in Richtung Treppe. Sie hatte eine Reisetasche neben die Haustür gestellt, mit Proviant, seiner Badehose, seinem Schlafanzug, Badeschlappen und einem Sweater, wenn es abends kühl wurde. In dem aufgerollten Schlafsack lag Icy, sein pechschwarz gewordener Eisbär, der kaum noch Füllung in sich trug und nun so klein wie möglich zusammengedrückt war. Sie hatten gestern Abend ernsthaft darüber diskutiert – auf der Bettkante sitzend, sein besorgtes Gesicht zu ihr erhoben. Weißt du, was wir machen?, hatte sie gesagt, wir stopfen ihn ganz unten in deinen Schlafsack. Wenn du dann darin liegst und es dunkel ist, dann ziehst du ihn einfach von unten zu dir hoch. Das merkt Frank nicht. Bobby hatte erleichtert geseufzt.

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