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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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starke Körperbau. Das dicke, dunkelblonde Haar, das ihm, wenn es zu lang wurde, in die Stirn fiel. Bobbys Kniescheiben, die im Verhältnis zu seinen Beinen zu breit waren, woran man sah, dass er noch tüchtig wachsen würde. Die Kraft seiner Kinderstimme, in der bereits die spätere Tiefe durchklang.
    »Er vermittelt den Eindruck, als würde er niemanden brauchen, und dadurch wirkt er auf die anderen Kinder so anziehend«, hatte die Lehrerin am Elternabend zu ihr gesagt. »Sie sehen zu ihm auf und fragen: Bobby, was machen wir heute? Doch er scheint sich dieser Rolle nicht bewusst zu sein.«
    Marjorie hatte stolz genickt, sie wusste, wovon sie sprach, hatte ihn als Kleinkind oft genug in seinem Bett sitzen sehen, wie er ruhig vor sich hinbrabbelte, vollkommen zufrieden mit sich und der Welt. »Er steht über den Dingen, so scheint es jedenfalls«, fügte die Lehrerin hinzu, »darum wollen sie alle so gerne mit ihm zusammen sein.«

24
    Es war schon fast Abend, als sie über die breiten Straßen nach Rotorua hineinfuhren. Aus Löchern im Asphalt ringelte sich Rauch, unter der Oberfläche schienen gewaltige Kräfte zu wirken. »Hier stinkt es«, rief Bobby und hielt sich die Nase zu. Ein Geruch von faulen Eiern hing über der Stadt. »Schwefel«, erklärte Frank, »du riechst Schwefel.« Für den letzten Teil der Strecke hatte er wieder Ada zu sich nach vorne geholt. Bobby war dieses Mal ganz unbefangen zwischen sie geklettert. Marjorie kümmerte sich einfach nicht mehr darum, ob Frank Ada verführen wollte – sollten sie doch machen, was sie wollten.
    Esther hielt sich ebenfalls die Nase zu. »Stell dir vor, du wohnst hier, direkt neben der Hölle«, rief sie. Ihre nasale Stimme brachte Frank zum Lachen. Sie macht Witze, dachte Marjorie, sie geht zum Angriff über. Um Marjorie herum waren auf einmal alle aufgeregt. Trotz der späten Uhrzeit gaben sie Bobbys Flehen nach und entschieden, statt morgen schon jetzt ihre Wanderung durch das Whakarewarewa Thermal Reserve zu starten. Marjorie mischte sich nicht weiter ein. Einziges Ziel war für sie, dass dieses Wochenende vorbeiging, ohne dass etwas Schreckliches passierte, und wo das nun genau war, das spielte für sie keine Rolle. Das Kind hüpfte, wie beschwipst, triumphierend aus dem Jeep heraus und kreiste mit ausgebreiteten Armen über den leeren Parkplatz. Marjorie war gespannt, wann man die ersten verärgerten Blicke sehen würde, wann die ersten vorsichtigen Bemerkungen fallen würden, denn wirklich geduldig ist man nur mit seinem eigenen Kind. »Darling«, rief sie, doch er rannte Frank hinterher zu einem steilen Pfad, der oben in den Hügeln verschwand.
    Die meisten Besucher waren schon wieder nach Hause gefahren. Die wenigen, die noch herumliefen, befanden sich auf dem Weg zum Parkplatz. Sie waren so gut wie allein. Wir sind verrückt, es wird gleich dunkel. Doch ihr blieb nichts anderes übrig, als den anderen zu folgen, immer tiefer hinein ins feindliche Gebiet. In der Mitte einer Gruppe mannshoher, dunkler Sträucher hing reglos eine weiße Dampfwolke – wie ein riesengroßes, unschlüssiges Gespenst. Vorsichtig pflückte der Wind an ihren ausgefransten Rändern. Es war ein langer Aufstieg, und Marjorie fiel hinter die anderen zurück, weil die Gedanken ihr die Beine schwächten. Auch hier derselbe ekelerregende, faule Gestank. Auf beiden Seiten des Weges rumorte und blubberte es in der Erde, und aus Löchern und Spalten entwich Dampf. Nebel strich über die Pfade, und Marjorie verlor immer wieder die anderen aus dem Blick. Frank und Ada waren weit voraus. Irgendwo erklang die Stimme ihres Jungen, dass man den Ball nie nach vorne, sondern immer nach hinten spielen müsse, und sie hörte Esthers heiseres Lachen. Als der Nebel sich in Schwaden auflöste, sah sie in der Ferne, wie Esther auf ihren schmalen Absätzen dem Kind hinterherstöckelte.
    Der Weg führte zu einem riesengroßen, von hohen Bäumen umsäumten, breiten
Hot Pool
mit giftgrünem Wasser, von dem der Dampf in dicken Wolken aufstieg. Am krustigen, weiß geätzten Ufer warteten die anderen auf sie. Sie standen dort mit verschwitzten Gesichtern, die Haare klebten ihnen am Kopf. Dunkle Flecken auf ihren Kleidern. Frank und Ada standen etwas abseits und sprachen leise und ernst miteinander. Marjorie sah, wie Ada jedes seiner Worte in sich aufsog, als wäre es sein letztes.
    Bobby war nicht zu bremsen, er sprang um Esther herum, neckte sie und rannte mit dem Ball unter dem Arm weg über die

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