Brautflug
den Sitzlehnen Halt, um sich einen Weg nach vorne zu ihren Plätzen zu bahnen. Die Maschine raste zum zweiten Mal in die Tiefe, und wieder verloren sie ihr Gleichgewicht. Die Bestürzung in der Kabine wurde immer größer. Um sie herum wurde geschrien, Götter und Mütter wurden im Wechsel angefleht. Eine Schreibmaschine flog in ihre Richtung. Während sie stürzten und rutschten, sahen sie, wie der Steward sich im vorderen Teil des Flugzeuges selbst anschnallte. Dabei machte er wilde Gebärden in ihre Richtung und rief, dass sie bleiben sollten, wo sie waren, bleibt da!
»Geht zurück! Haltet euch fest! Ihr donnert an die Decke!«
Das Flugzeug zitterte und peitschte von links nach rechts, von anhaltenden Stößen wurde es durcheinandergerüttelt. Die Motoren heulten im Kampf gegen eine unsichtbare Macht. Durchgejagt, schoss es ihr durch den Kopf. Wir haben sie durchgejagt.
Frank ließ Ada nicht los. Er klemmte sie zwischen sich und der Wand fest und zog Marjorie zurück in die Garderobe. Dann bückte er sich und streckte die Hand nach Esther aus, die halb unter einen Sitz geschoben dalag. Esther jedoch schüttelte den Kopf, sie wollte dort bleiben. An der Lehne richtete sie sich halb auf, glitt jedoch nach unten weg und schlug mit dem Kopf seitlich gegen die Stahlaufhängung des Sitzes. Erneut schüttelte sie den Kopf, sie würde hier bleiben. Frank drängte sie nicht weiter und drehte sich wieder zu Ada um. Diese klemmte wie ein Schraubstock um seinen Rumpf, die Hände hinter seinem Rücken zusammengenietet – ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Haut, doch davon spürte sie nichts. Über Franks Schulter hinweg sah sie die Journalisten, die wie Lappenpuppen in ihren Gurten hin und her schaukelten.
Ein komischer Anblick.
Ada konzentrierte sich ganz auf das, was sie vor sich sah. Ihre Augen suchten ein Fenster. Sie nahmen die Dunkelheit dahinter wahr und dann die blendenden Blitze, die das Flugzeug unermüdlich attackierten. Einen kurzen Moment lang schien es, als würden blaugrüne Feuerzungen um die Flügel herumschäumen. Wir haben Feuer gefangen.
Hinter ihnen jammerte Marjorie. »Oh Gott, oh Gott …«
Im Flugzeug wurde gekotzt, geschrien, geflucht, geheult und gebetet, in Adas Kopf jedoch herrschte eine große Stille. Wieder kippten sie zur Seite.
Frank musste seine ganze Kraft darauf verwenden, sich und Ada auf den Beinen zu halten. Sie spürte, wie seine Muskeln hart wie Stahl wurden und zitterten und wie sein Brustkorb pumpte. Sie hing mit ihrem ganzen Gewicht an ihm und sah über seine Schulter hinweg den Flügel, der fast senkrecht nach unten zeigte. Während der Blitze sah sie die Schiffe auf dem Ozean. Auch andere Passagiere hatten sie gesehen.
»Seht nur!«, rief der Steward, um sie zu beruhigen. »So viele Boote! Wenn wir abstürzen, sammeln sie uns alle auf!« Das Flugzeug sank. Alle Geräusche verschwanden aus ihren Ohren. Alles verlangsamte sich. Ada sah Schuhe und Handarbeitsbündel durch die Kabine fliegen. Dann drückte sie ihr Gesicht an seinen Hals und kniff die Augen zusammen. In einem tropischen Garten, in dem sie die feuchte Erde riechen konnte, stand ein Standbild von zwei Geliebten, die inmitten eines lautlosen, trägen Orkans gemeinsam untergingen.
Es ging vorbei. Die letzten Wolkenfetzen zogen an der Liftmaster vorbei, und auf einmal war die Nordwestküste von Australien zu sehen. Niemand reagierte. Niemand schaute. Einige Frauen schluchzten leise. Der dicke Flugzeugspezialist erbrach sich noch immer, vornübergebeugt hing er in seinem Sitz.
Ada, Frank, Marjorie und Esther standen verstört im Flugzeugheck zusammen, die Augen vom Schreck geweitet. Sie schwiegen. Der Steward, leichenblass und heftig schwitzend, kam, um sie zurück zu ihren Sitzen zu begleiten.
»Sehen Sie?«, sagte er betont heiter, »es war nur eine kleine Front, nichts weiter als eine kleine Front.«
Dass Ada noch immer das Brautkleid anhatte, fiel nicht weiter auf. Niemand achtete darauf. Zum Umziehen war keine Zeit, es wurde bereits zum Landeanflug angesetzt.
Das letzte Stück bis zum Flughafen verlief normal. Gas wegnehmen. In zwei, drei Sturzflügen steuerte das Flugzeug vom Meer aus direkt in Richtung Flughafen Darwin. In der Kabine hing ein beißender Gestank von Angst und Erbrochenem. Es roch sogar nach Kot.
»Meine Damen und Herren«, rief der Steward, »im Namen unseres Kapitäns hoffe ich, dass Sie nicht allzu sehr erschrocken sind, denn das wäre schade. Und unnötig noch dazu. Wie
Weitere Kostenlose Bücher