Brautflug
sich dicht neben sie und sah sie prüfend an. »Was ist da los?«
Es war ein Irrtum, wollte sie sagen. Dumm. Ich wusste nicht, dass das so viel nach sich ziehen würde, damals im Gras. Ich bin doch erst achtzehn, kann ich nicht einen zweiten Versuch machen? Dann würde ich ihn mit Sicherheit auch trösten, den Ertrinkenden, aber anders, weniger folgenreich.
»Ada, was ist da los?«
Er nahm ihren glühenden Kopf in seine Hände. Sie zog die Nase hoch und wischte schnell einen Schnodderfaden weg. Er schien es nicht zu sehen, suchte in ihren Augen nach einer Antwort. Es ist zu schlimm, um es auszusprechen, sagte sie ohne Worte.
Der Kuss begann ganz unvermittelt, heftig und leidenschaftlich, genauso, wie es sein sollte. Er legte seine Arme um sie und sie legte sich hinein. »Ach, Mädchen«, sagte er immer wieder, und dann küssten sie sich weiter. Mädchen, Mädchen. Ihr Schweiß, ihr Speichel, alles vermischte sich und roch und schmeckte so ungeheuer gut. Sie spürte eine Hand auf ihrer Brust, auf ihren Hüften, um ihren Po. Als ihre Fußsohlen beinahe Feuer fingen, stellte sie sich auf seine Schuhe. So komme ich auch besser an dich dran. Hier bleibe ich erst einmal. Jemand murmelte beifällig, das Murmeln umschloss sie, wie Wände ein gemütliches Zimmer umgeben. So, hier lässt sich’s verweilen. Bis später.
Es wurde applaudiert. Nach und nach waren die Zuschauer hinterhergekommen. Erschrocken machte Ada einen Satz zurück, das gemütliche Zimmer war nichts mehr als ein Haufen Scherben. Sie tanzte auf der glühend heißen Erde. Frank sah auf ihre Füße, mit den Kniestrümpfen, die schon längst nur noch Fetzen waren.
»Heiß, heiß!«
Er lachte. »Komm her, verrücktes Huhn.« In einem Schwung hob er sie vom Boden und drehte sich mit dem aufgetürmten, cremefarbenen Satin in den Armen den Zuschauern zu. Sie erkannte etwas Triumphierendes in seinen Gesichtszügen, ein Siegerprofil. Der Held trägt seine Braut in die Lagerhalle. Er atmete schwer. Ich habe vier Kilo zugenommen. Die Zuschauer traten einen Schritt zurück, um ihn durchzulassen, und klatschten begeistert in die Hände –
a wonderful dutch romance
. Er lachte, zerrte sie ungalant in die Höhe, so, besser. Sie schlug die Arme um seinen Hals, das Kleid spannte nun straff um ihre Taille, sodass sie beinahe erstickte. Sie musste nachdenken. Einen Moment nachdenken.
»Ada van Holland«, sagte er mit einer Stimme, die allein ihr schon gereicht hätte, und er wiederholte ihren Namen wieder und wieder. Durch die dunkle Lagerhalle hindurch lief er zu der offenen Vorderfront, nickte nach rechts und links. Er machte eine richtige Show daraus. Sie sah die Freude in seinen Augen funkeln. Dann trat er nach draußen, wo tiefe, goldene Sonnenstrahlen die rote Erde theatralisch beschienen und wo am Horizont mit laufenden Propellern ihr Flugzeug wartete.
»Lass mich herunter«, flüsterte sie heiser vor Elend.
Er konnte sie durch das Getöse der Motoren hindurch nicht hören. Das Flugzeug war voll getankt und wurde abgekoppelt, der riesige, gerippte Schlauch wurde von zehn Leuten auf den Shell-Tankwagen zurückgerollt. Der Steward stand oben an der Treppe und hielt ungeduldig Ausschau nach den entwischten Passagieren. Als er sie erblickte, winkte er, kommt, schnell!
»Ich lass dich nie mehr gehen. Willst du bei mir bleiben?«
»Lass mich herunter«, sagte sie, noch immer nicht laut genug.
»Du darfst in Ruhe darüber nachdenken. Aber erst ja sagen.«
Sie küssten sich erneut, als wären sie magnetisch, oh, Liebste, Liebste. In der Lagerhalle wurde gejubelt und applaudiert. Sie schnappte nach Luft, rieb mit der Nase über die Stoppeln von vierzig Flugstunden ohne Rasieren, bis hoch zu seinem Ohr und sagte laut, dass sie verheiratet war.
»Ich bin verheiratet.«
»Warum?«, fragte er etwas dümmlich. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, und wand sich mit einer harschen Bewegung aus seinen Armen.
»Warum?«
»Verheiratet«, wiederholte sie und fing wieder an zu hüpfen. »Verheiratet, verheiratet, verheiratet«, sang sie starrköpfig und kindisch. Ungläubig starrte er sie an, eine tiefe Falte legte sich über seine Augen. »Das Kleid …«
»Ist nicht von mir.«
Der Steward machte ungeduldige Gesten. Er tippte auf seine Armbanduhr, dies waren kostbare Minuten. Sie schauten zum Flugzeug, aber keiner der beiden machte Anstalten, dorthinzulaufen.
»Du trägst keinen Ring.«
»Die hat er, dort. Ich wurde ferngetraut. Die Ringe hat er, dort. Für die
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