Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
Vom Netzwerk:
oben. »Neunzehn Minuten,
block to block
«, der Steward sah auf seine Armbanduhr, »das ist nicht so schlecht. Kommt schnell.« Er merkte, dass er diese jungen Leute erst einmal in Ruhe lassen musste. »Wir sind alle etwas erschrocken über diese leidige Schlechtwetterfront.«
    Frank ließ Ada den Vortritt in die Kabine. Der Sturm war eine Warnung, wollte sie noch sagen, aber dafür war sie zu erschöpft. Hinter ihnen wurde die Treppe weggefahren, und der Steward winkte professionell den Zuschauern. Schließlich war es doch ein hübsches Schauspiel gewesen.

6
    Franks Platz war von Marjorie eingenommen worden. Ihre geflüsterten Fragen, was sich dort auf der Plattform abgespielt hatte, wehrte Ada mit nichtssagenden Antworten ab, zu betäubt, um sich deswegen schuldig zu fühlen. Ja, ich hatte ein bisschen Angst bekommen. Ja, er hat mich beruhigt. Nein, sonst nichts. Sie hoffte, dass er es nicht hören würde, und wagte nicht sich umzusehen. Nach dem Aufsteigen konnte sie sich endlich aus dem beengenden Brautkleid befreien. Schwankend stand sie in der »Lady’s Lounge«, wie das Verlies von Esther so schön genannt wurde, zwischen den Kleiderständern, an denen die Jacken wieder ordentlich in Reih und Glied hingen, als hätte es nie einen Sturm gegeben. Esther öffnete die Knöpfe und stellte glücklicherweise keine Fragen. Die Flecken und Risse im Satin schienen sie nicht zu interessieren. Sie zeigten sich gegenseitig ihre blauen Flecke von den Stürzen. Adas Füße sahen am schlimmsten aus, blutig und mit kleinen Schürfwunden übersät, die Sohlen voll offener Brandblasen. Leute waren ihr während des Sturms daraufgetreten, so war es wohl passiert, doch sie hatte nichts davon gemerkt. Man konnte zusehen, wie sie nun unangenehm dick und lilafarben wurden. Esther befeuchtete einen sauberen Schal im Waschbecken der Toilette und tupfte sie vorsichtig sauber. »Du gewinnst«, sagte sie mit einem Augenzwinkern. Dann gab sie ihr ein neues Paar Strümpfe, die feinsten, die Ada jemals in den Händen gehalten hatte.
     
    Soweit Ada es sehen konnte, bestand Australien aus einer eintönigen, braunen Fläche. Es wurde schnell dunkel. Sie flogen weiter entlang der Nordküste, ihre Route wurde von der Warnung bestimmt, die die britische Regierung an alle Teilnehmer des Rennens geschickt hatte: In der Woomera-Wüste würde heute Nacht ein neuer britischer Atomwaffentest veranstaltet werden. Eine Bombe würde zum Explodieren gebracht werden, sobald der Wind die richtige Richtung einnahm. Sie sollten diese zur Sicherheit lieber umfliegen, wegen der radioaktiven Wolken. Ada stellte sich eine strahlende Wolke vor, wie ein Bild aus der Kinderbibel. Nichts, was sie nicht bereits kannte.
    Marjorie saß neben ihr und las im Halbdunklen aus der Bordzeitung vor. »In Australien ist nur der äußerste Rand bewohnt«, erklärte sie, »dort spielt sich das eigentliche Leben ab. Im Inland ist nichts als Dschungel, Dschungel und nochmal Dschungel, unerträglich und ständig in Brand. Dort wüten ewige Feuer, die nie gelöscht werden können.«
    Ada drehte sich schwerfällig um und spähte zwischen den Stuhllehnen hindurch zum hinteren Teil des Flugzeugs. Hinten bei den Journalisten saßen Esther und Frank und spielten Karten. Sie sah seine Finger, die eine Zigarette hielten, wie er tief inhalierte und die Spitze zu glühen anfing, als würde ein Lichtchen angehen, das dann erstarb und kurz darauf wieder aufleuchtete, wie ein Morsezeichen. »Australier essen besser als jedes andere Volk der Welt«, las Marjorie neidisch vor. »Durchschnittlich dreitausend Kalorien pro Tag.« Viel essen können war weiterhin äußerst erstrebenswert, auch wenn der Hungerwinter inzwischen schon acht Jahre her war. Die Zigarettenspitze glühte schon wieder auf. Jetzt trafen ihre Augen sich. Schnell drehte sie sich wieder um. Als sie sich bewegte, tat ihr alles weh.
     
    Alle versuchten, wühlend und wimmernd eine Haltung zu finden, in der sie irgendwie schlafen konnten. Auch wenn es von ihrem Gefühl her Morgen war, so waren sie doch erschöpft genug, um die Nacht willkommen zu heißen. Ada hatte Glück, sie hatte zwei Sitze für sich allein und konnte zum ersten Mal wirklich liegen. Den Arm unterm Kopf gefaltet, die Beine gebeugt und peinlich genau mit dem Blümchenstoff bedeckt. Sie lag mit geschlossenen Augen da und versuchte, das Stechen in ihren Füßen zu ignorieren. Hinter ihr lag Marjorie und schlief in derselben Haltung. Im Heck des Flugzeuges war ein

Weitere Kostenlose Bücher