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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Tapete?«, fragte sie.
    Als würde sie einen Schalter umlegen. Das Prinzesschen ließ sich vom Sockel fallen und fing an zu heulen, sie schluchzte erbärmlich, erstickte fast an dem großen Verlust.
    »Man sollte … aus seinem Elternhaus heraus … heiraten!«
    Kummer ist Kummer, dachte Esther und schlang ihre Arme um Marjorie, sie strich ihr über den zitternden Rücken.
    »Ich … vermisse … Pa … und … Ma!«
    »Ja.«
    »Mach … ich … alles … richtig?«
    »Du machst das alles phantastisch.«
    Minutenlang heulte Marjorie weiter. Esther strich ihr über den Rücken und wusste auf einmal genau, dass Seersucker nicht geschmeidig genug fiel für solche Art von Blusen, wie sie sich vorstellte. Davon musste Peggy morgen überzeugt werden. Eigentlich wäre es am schönsten, die Revers des Kostüms mit dem Stoff der Bluse zu benähen, wie Coco Chanel das tat. Dass sie daran nicht schon früher gedacht hatte.
    Einigermaßen beruhigt, richtete Marjorie sich wieder auf, noch immer leise schluchzend. Esther gab ihr ein Taschentuch und sah, wie sie sich lautstark schnäuzte und mit offenem Mund tief ein- und ausatmete, als würde sie Mut sammeln für das Leben, das morgen anfing.
    »Hans sieht doch gut aus, oder?«
    »Sehr gut.«
    Das öffnete die Schleusen wieder.
    »Ich … vermisse … sie … so!«
    Das ganze Ritual wiederholte sich, und während Esther ihr noch über den Rücken rieb, freute sie sich bereits darauf, dieses Zimmer bald für sich allein zu haben. Ihre Augen glitten im Dunkeln die Möbel entlang, als hätten sie bei dieser Aussicht mit einem Mal eine andere Form angenommen. Auf das Familienporträt auf der Kommode brauchte sie nicht zu schauen, das würde nie die Form verändern, und auch nicht auf das fröhliche Foto daneben mit Sallie und seinem Ball unter den starken Ärmchen und diesem übermütigen Blick in den Augen.
     
    »Vielleicht täuschen wir uns«, sagte sie zu Leon. Damit überfiel sie ihn, er keuchte unruhig, schnaufte und bedeutete ihr, dass sie leiser sprechen sollte, schließlich saßen sie ja in Saint Mary’s bei den Katholiken. Durch den Mittelgang schritt – man konnte es nicht anders nennen – Marjorie, in vollem Ornat, am Arm von Gordon, nach vorne. Wegen mangelnden Vaters war er so nett, die Braut zu führen, und er hatte dafür einen Anzug angezogen, einen Doppelreiher aus dem Jahre null.
    »Vielleicht täuschen wir uns«, sagte sie noch einmal, etwas leiser und blieb währenddessen mit dem Gesicht zum Mittelgang stehen, um Marjorie ermutigend zuzunicken: Alles wird gut, du siehst wunderschön aus. Heute Morgen hatte sie noch gerufen, dass sie alles absagen würde und ein Schiff nach Hause buchen, aber schau hier, dort bei dem Priester steht dein Bräutigam, der dich liebt.
    Leon hatte sie unter Druck gesetzt. Die zwei Jahre, die er angestellt sein musste, waren vorbei. Er hatte sich um einen anderen Job als Aufsichtsbeamter in Auckland beworben. Er wurde dort besser bezahlt, und sie bekämen ein Haus. Nächste Woche konnte er anfangen. Er musste Bescheid wissen. Das verstand sie.
    »Und was ist, wenn wir nicht zueinander passen?«
    Er seufzte. Warum jetzt hier, sah sie ihn denken. Das war genau das, was sie meinte. Er beugte sich müde zu ihr herüber. »Na wenn schon«, flüsterte er, »wir gehören zusammen. Es gibt niemand anderen. Wir haben niemand anderen.«
    Sie hielt alarmiert den Atem an, begriff nicht, woher die heftige Angst in ihrer Brust rührte. Die Orgel produzierte ein monotones Gedröhn, von dem man wahnsinnig werden konnte. Um zu sich zu kommen, richtete sie ihre Nylonstrümpfe und sah die Kirchenbänke entlang. Es waren nicht viele Menschen, sie kannten noch nicht so viele hier, Gordon und Peggy, ein paar Kollegen von Hans und Marjorie, ihre Strandbekanntschaften. Insgesamt nicht mehr als zehn, zwölf Neuseeländer. Sie wandte sich zurück zu Leon und zischte in einem verächtlichen Tonfall, etwas zu laut, hervor: »Werden wir dann glücklich?«
    Wie so oft in der letzten Zeit erkannte sie Unglaube in seinen Augen, die Unverschämtheit, von Glück zu sprechen, als könnten Menschen wie sie Glück fordern. Er wandte seinen Kopf von ihr ab, klammerte seine Hände um die hölzerne Lehne vor ihm. Er zählt bis zehn, dachte sie, so jemand ist er, die Beherrschung in Person. Doch sein Ton war falsch, als er sich aufrichtete. »Du hast davon in deinen Briefen geschrieben. Du hast von einem Leben in Sicherheit gesprochen, erinnerst du dich? Für

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