Breaking News
würde.
Wie groß mag sie sein? Eins fünfundachtzig? Eher mehr. Überragt ihn um Kopfeslänge und scheint einzig aus Muskeln zu bestehen. Nie hat er eine Frau mit solchen Muskeln gesehen. Keine schwellenden, von Eiweiß aufgepumpten Geschwüre, sondern lange, geschmeidige Stränge, die harmonisch ineinandergreifen. Wie eine Skulptur steht sie da und schaut gelangweilt den Flur hinab.
Sie ist so kolossal, als entstamme sie einer anderen Rasse.
Perlman ruft die anderen und beschreibt ihnen den Weg.
In den Augen des Mädchens blitzt Neugier auf. Sie deutet mit ihrem rasierten Schädel auf den Marder.
»Wer ist das?«
»Ein Verräter.«
»’kay.« Reckt den Oberkörper. Scheint darüber nachzudenken. Das Tanktop spannt sich über flachen, wohldefinierten Brüsten.
»Wen hat er denn verraten?«
»Israel.«
»Macht er nicht noch mal.«
Shoshana Cox lässt ihn nicht los. In den kommenden Tagen denkt er unentwegt über sie nach. Die Zeugenvernehmung ist abgeschlossen, alle klopfen ihm auf die Schulter.
Wofür eigentlich?
Sie hat ihn aufgespürt.
Und fast umgebracht in ihrer Wut.
Eine Woche geht er mit dem Gedanken schwanger.
Dann fährt er raus zum stillgelegten Busbahnhof, parkt den Wagen etwas abseits, wo man nicht befürchten muss, dass er seiner Räder beraubt und auf Backsteinen gebettet wird, schlendert in die Salomon Street und klingelt im dritten Stock. Ein Mann im Unterhemd öffnet, seine linke Gesichtshälfte ein einziger Bluterguss. Blinzelt, als habe Perlman ihn aus hundert Jahren Zauberschlaf gerissen. Was von der Wohnung zu sehen ist, präsentiert sich im Zustand fortgeschrittener Verwahrlosung. Das Plärren eines Fernsehers wird konterkariert vom Zank zweier Halbwüchsiger.
»Entschuldigen Sie die Störung«, sagt Perlman freundlich. »Könnte ich bitte mit Shoshana sprechen?«
Der Mann glotzt ihn aus rot unterlaufenen Augen an. Seine Fahne ist eine einzige Warnung, Streichholz oder Feuerzeug zum Einsatz zu bringen, so viel Alkohol schwebt noch darin.
»Sie wohnt doch hier, oder?«
Im Hintergrund wird eine Frau sichtbar.
»Shana ist ausgezogen«, sagt sie.
»Wo kann ich sie finden?«
Sie kommt näher. War mal hübsch. Ist es immer noch, konstatiert er, auf ihre eigene deprimierende Weise. Die tiefblauen Augen, der breite Mund, die Stupsnase – er sieht Shoshana in ihr, allerdings auch, was aus Shoshana werden kann, und das flößt ihm Angst ein.
»Fragen Sie ’n paar Häuser weiter«, sagt die Frau müde. »Sie wohnt jetzt bei einer Freundin.«
»Wir waren ihr nämlich nicht fein genug«, knurrt der Mann.
»Nein, sie ist ausgezogen, weil –«
»Du, halt’s Maul!«
Sie schrumpelt in sich zusammen.
»Die blöde Drecksau«, fügt der Mann hinzu. Zeigt auf seine malträtierte Gesichtshälfte. »Tut ’ne Tochter so was mit ihrem Vater?«
Kommt drauf an, was du vorher mit deiner Frau getan hast, denkt Perlman.
»Was wollen Sie überhaupt von der?«
»Ich hätte Shoshana einen Vorschlag zu machen.«
»’n Vorschlag?« Der Mann plustert sich auf. »Pass mal auf, Bruder, wenn du irgendwelchen Schweinkram –«
»Ganz und gar seriös.«
Sein Gegenüber schiebt angriffslustig das Kinn vor und verharrt ratlos in seiner Drohgebärde. Die Frau bedeutet Perlman zu warten, verschwindet im Nebenzimmer und kommt kurz darauf wieder mit einem Zettel zum Vorschein.
»Hier. Shanas Adresse.«
»Danke.«
»Seien Sie nett zu ihr.« Ein Funken Hoffnung glimmt in ihren Augen, es könne auf der Welt noch etwas anderes geben als das hier. »Ihr Freund hat sie gerade verlassen.«
»Das tut mir leid.«
»Leid?« Der Mann kräuselt die Lippen. »Ihrem Freund tut’s leid.«
»Oh.« Perlman lächelt. »Wird wieder was draus?«
»Wenn sie seine verbeulte Fresse sehen, wissen Sie, was ich meine.« Schlurft davon. »Glauben Sie mir – dem tut’s leid.«
Perlman tritt zurück auf die Straße. Folgt den Hausnummern. Erst als er vor dem Gebäude steht, abgewrackt wie alles hier, wird ihm bewusst, dass weder Herr noch Frau Cox annähernd eine Statur aufweisen, die Shoshana erklären würde.
Da ist vielleicht die Oma durchgeschlagen.
Klingelt, Türsummer, zweiter Stock. Shoshana wartet im Flur, und wieder raubt ihre Erscheinung ihm den Atem.
»Hallo, Shoshana.«
»’llo.«
»Erinnern Sie sich an mich?«
»Paar Zellen funktionieren noch.«
»Hätten Sie Zeit und Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?«
Sie blinzelt misstrauisch. »Wollen Sie mich wegen was drankriegen?«
»Dann wäre
Weitere Kostenlose Bücher