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sich klarmachen, wie jung die meisten dieser Gotteskrieger sind. Ihre Bärte, sonnengegerbten Gesichter, ihre ganze martialische Aufmachung, all das lässt sie älter erscheinen, doch selbst die Anführer sind selten über dreißig. Er fragt sich, wer hier gleich übersetzen wird. Hofft, dass sie nicht auf die Englischkenntnisse von Ihrgut angewiesen sein werden. In diesem Fall wäre Zeichensprache vielleicht ergiebiger.
Im selben Moment sagt Amanullah:
»Wir sind geehrt, Tom Hagen, dass ihr euch unserer Sache annehmen wollt. Wir haben uns immer aufrichtig über das Interesse der Medien gefreut, wenn sie die Wahrheit über die Taliban erzählten, anstatt die Welt mit Lügen zu blenden.«
Sagt es in einwandfreiem Englisch.
»Ich werde also eure Fragen beantworten, unter der Voraussetzung, dass jede Unterhaltung in diesem Raum auf Englisch erfolgt. Und zwar zwischen allen Beteiligten.«
»Einverstanden«, nickt Hagen.
»Dann lasst uns reden, gemeinsam die Nacht in Muneers Haus verbringen und morgen als Freunde scheiden.« Amanullahs Zähne blitzen. Perfekte schneeweiße Zähne. »So Allah es will.«
Die Taliban sind schwer zu packen, hat Husain ihm erklärt. Mit vielen könnte man sich durchaus vorstellen, befreundet zu sein. Heiter und ausgeglichen. Lachen gerne. Ganz anders als die notorisch übellaunigen Typen von al-Qaida. Ihr Zusammenhalt ist ebenso unerschütterlich wie ihr Glaube, das macht sie stark, und sie sind stolz auf ihre Unkorrumpierbarkeit, aber das sollte dich keinesfalls zu der Idee verleiten, ihnen trauen zu können! Sie lieben es zu lügen. Unentwegt stellen sie dich auf die Probe. Sie mögen sich selbst nicht für grausam halten, aber sie sind es. Jemanden zu köpfen, weil es Allah gefällt, ändert nichts an der Tatsache, dass der Kopf ab ist. Und Allah ist immer ihre Rechtfertigung.
Vergiss das nie!
Bestimmt nicht, denkt Hagen.
»Auch wir sind geehrt«, sagt er, »das Privileg eurer Gastfreundschaft zu genießen.« Nickt Muneer zu, dessen sphinxhafte Miene nicht erkennen lässt, ob er ein einziges Wort versteht. »Und dankbar, an einer Lösung mitwirken zu können, die im Interesse aller Beteiligten liegt.«
Amanullah krault seinen Bart.
»Eine Lösung wäre in der Tat willkommen.« Legt freundschaftlich eine Hand auf Bakhtaris Schulter. »Max, Walid und Marianne sind nun schon länger unsere Gäste als vorgesehen.«
Gäste, denkt Hagen. Er nennt sie tatsächlich Gäste.
»Aber wir wollen später über sie reden. Zuvor müsst ihr einiges verstehen. Die Deutschen müssen begreifen, wie wir Mudschaheddin denken.« Er zeigt auf das Diktafon neben Hagen. Macht eine einladende Geste. »Du kannst es mitlaufen lassen.«
Björklund schwenkt seine Kamera. »Ist es in Ordnung, wenn –«
Muneer hebt die Rechte, beugt sich zu dem Talib hinab. Sagt etwas auf Paschtu. Amanullah hört aufmerksam zu, nickt.
»Fotos später«, bescheidet er.
Interessant, denkt Hagen. Wer hat hier das Sagen? Nach den Statuten des Afghanyat müsste Muneer der Boss sein, denn auch Amanullahist lediglich zu Gast auf seinem Grund und Boden, sofern Husains Information zutrifft. Andererseits haben die Taliban schon zu viele ihrer Gastgeber umgebracht, als dass der Fall so einfach läge. Wer also trifft in diesem Raum die Entscheidungen?
Falls er sich überhaupt im Raum befindet.
Und nicht ganz woanders, in Kandahar, Quetta oder Peschawar.
Er schaltet das Diktafon ein.
»Die Welt muss verstehen, dass die Taliban von heute nicht mehr die Taliban von damals sind«, sagt Amanullah, nun im Tonfall eines Dozenten. »Ebenso wenig, wie die Amerikaner von heute noch dieselben sind, die uns 2001 angriffen. Damals hatten sie einen konkreten Grund, auch wenn sie im Unrecht waren. Heute töten sie uns wahllos: Männer, Frauen und Kinder. Es reicht ihnen, uns versammelt zu finden. Sie sind so tief gesunken, dass selbst unsere Witwen wünschen, am Krieg gegen sie teilzunehmen und Amerika in den Staub zu werfen.«
Er macht eine Pause.
Sein Blick irrt ab, ruht auf dem Diktafon. Belehr uns ruhig weiter, denkt Hagen. Alles wird aufgenommen. Du bekommst deine Publicity.
»Doch die Taliban sind nicht länger schwach wie in der Vergangenheit. Inzwischen haben wir das Volk auf unserer Seite. Die Besatzer mögen sich brüsten, die Provinzen unseres Landes zu kontrollieren, faktisch kontrollieren sie vielleicht ein Viertel jeder Provinz. Die anderen drei Viertel kontrollieren wir. In manchen Regionen haben unsere Streitkräfte sogar
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