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Gewässer ihrer Fantasien auslotet, breitbeinig auf der Hauptkanone posierend und grinsend, als ginge es in den Urlaub. Tatsächlich ist Uri als Einziger verheiratet und Vater. Chaim, ihr Kommandant, hat eine Freundin, Schütze Janusch durfte übungshalber schon etliche Projektile abfeuern, ist aber bislang bei keiner Frau zum Schuss gekommen, was die Prognose zulässt, dass er Leben ausgelöscht haben wird, bevor er welches zeugt.
Der 6. Juni ist ein ausnehmend schöner Tag, kaum eine Wolke steht am Himmel.
Und der Libanon?
Ein Traum.
Die Kolonne aus Panzern zuckelt die Küstenstraße entlang, zur Linken das türkisblaue Meer, bizarre Klippen im Wechsel mit einladenden Stränden, rechts Plantagen und Gehöfte, die sich in sanft ansteigendem Hügelland verlieren, ferne, in der Sonne leuchtende Dörfer.
Uri und Chaim stehen im offenen Turmkorb und berauschen sich an der aromenreichen Luft.
Sie haben mit sofortigen Angriffen gerechnet, immerhin ist das hier Fatah-Land, doch vorerst deutet nichts darauf hin, dass überhaupt jemand den Gebrauch einer Waffe in Erwägung zieht. Ein paar Bauern und Kinder, in sicherer Entfernung. Laufen weg, als die Kolonne sich nähert. Hier und da Leute auf den Feldern, die hochblicken, erstarren.
Ansonsten alles wie ausgestorben.
Was sie beunruhigen sollte.
Tut es aber nicht.
Sie sind vier Jungs, unerwartet schnell kommen sie voran, die Merkavas machen ordentlich Lärm. Niemand ist auf der Straße unterwegs außer ihnen. Sie sind die Herren der Lage, die Herren der Welt, die Sonne scheint ihnen ins Gesicht. Irgendwie klasse. Wenn das so weitergeht,denkt Uri, werden wir bis Tyrus knackebraun sein. Um die Hafenstadt herum liegt eine Reihe palästinensischer Flüchtlingslager, Al-Bass, Burj Al-Shamali, Rashidiyeh, spätestens dort dürfte der idyllische Teil ihrer Reise zu Ende sein. Die Lager sind Brutstätten des Terrors, nur kann man dummerweise nicht einfach eine fette Bombe draufwerfen, weil sich die Fedajin auf eine Überzahl ziviler Bewohner verdünnen, also muss man reingehen und sie gezielt eliminieren.
Oder reinfahren.
Aber das ist ja das Schöne am Panzer.
Er ist wie ein stählerner Uterus, in seinem Innern bist du unangreifbar. Und Merkavas, das kommt noch hinzu, sind israelische Innovationsware, nicht irgendein Larifari aus zusammengeschweißten französischen, deutschen und britischen Komponenten. Hier sitzt der Antriebsstrang im vorderen Teil der Wanne, ist der Turm bewusst schmal gehalten und mit stark abschüssigen Platten gepanzert, Neuerungen zum Schutz der Besatzung, die ihnen erst mal einer nachmachen soll.
In einem Merkava kannst du auf den Feind scheißen.
In einem Merkava.
Wenn Kopf und Oberkörper herausschauen, muss der andere nur gut zielen können.
In diesem Fall zielt er eher mäßig.
Wer immer er ist, in welchem Fenster er lehnt, auf welchem Dach er liegt, die Kugel streift Uris Helm mit einem seltsam trockenen Geräusch, dann sieht er, wie im Kommandostand des vorausfahrenden Panzers jemand in sich zusammensackt.
»Runter«, schreit er.
Weitere Geschosse schlagen gegen den Stahl des Turms, erzeugen tiefe, glockenartige Klänge. Chaim und Uri tauchen unverzüglich ab, blicken in fragende Gesichter.
»Was ist los?«, will Janusch wissen.
»Sie eröffnen das Feuer.«
»Von wo?«
Wenn man das wüsste.
Der Panzer vor ihnen fährt weiter, im Turmstand ist niemand mehr zu sehen. Chaim deutet hoch zur Luke.
»Uri, Janusch, an die Maschinengewehre. Ich versuche, die Scheißkerle ausfindig zu machen.«
Sie zwängen sich zurück ins Freie, ziehen den Kopf zwischen dieSchultern, verschanzen sich hinter ihren 7,62-mm-Geschützen und feuern wie besessen drauflos. Zwischen Zedern und Pinien, vielleicht 500 Meter entfernt, kauern sich einige Dutzend Häuser um ein Puppenstubenminarett, Gehöfte verteilen sich in der Umgebung, von wo genau der Beschuss kommt, ist nicht auszumachen. Von Idylle keine Spur mehr. Das Knattern der MG s dröhnt in ihren Ohren, Munition wird durchgeschleust, weiter rumpeln sie die Straße entlang, als etwas heranheult und der Turm des Merkavas vor ihnen in einer sonnengelben Wolke verschwindet.
Scheiße, denkt Uri.
Und dann hat er nicht mehr viel Zeit zum Denken.
Der getroffene Panzer stoppt.
Gidon bremst ab.
Jetzt, wo sie stehen, sind sie so einfach zu treffen wie Enten auf einem Dorfteich, und schon prasseln Salven wie Platzregen auf die Stahlplatten ein, nackter Wahnsinn, hier oben zu bleiben.
Chaim sucht die
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