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Verachtung, das ist unser Problem. Irgendwann wachen wir auf und stellen fest, dass wir sie die ganze Zeit unterschätzt haben.«
»Kann ich im Augenblick nicht feststellen«, konstatiert Chaim.
»Nicht?« Benny wendet den Kopf. »Wie viele Tote bei euch?«
Chaim zögert. »Und ihr?«
»Ein paar Dutzend. Bis jetzt.«
»Okay.« Macht eine Pause. »Wir auch.«
»Verwundete?«
»Hundert. – Nein, mehr. – Hundertfünfzig?«
»Bis jetzt«, fügt Uri gähnend hinzu.
»Frieden für Galiläa.« Benny schiebt seine Brille wieder den Nasenrücken hinauf. »Ich würd ja nichts sagen, wenn nicht alle so rührendüberzeugt gewesen wären, dass wir hier ohne einen einzigen Toten wieder rausgehen.«
»Und die im Osten? Hast du was von denen gehört?«
»Im Osten?« Benny lacht. »Sie kloppen sich mit den Syrern im Osten. Gut, was?«
»Ich denke, es sollte kein –«
»Onkel Arik hat die Syrer umzingelt, was glaubt ihr denn? Dass die sich auf die Knie werfen? Sie haben Boden-Luft-Raketen rangeschafft und Verstärkung in Marsch gesetzt.« Lässt sich ins Wasser gleiten, taucht unter und kommt prustend wieder zum Vorschein. »Man munkelt übrigens, Begin habe Assad einen Brief geschrieben. Er wolle keinen Krieg. Hat er gestern auch vor der Knesset gesagt. Der Witz ist nur, da hatten sie sich schon längst in der Wolle. In Jessin. Darum hängen wir auch hier rum, wenn du mich fragst.«
Weil sie in Jerusalem nicht wissen, wie sie weiter vorgehen sollen. Denn die eigentliche Aufgabe dürfte erfüllt sein. Die 40-Kilometer-Zonen sind gesäubert, die PLO -Einheiten dort ausgeschaltet oder handlungsunfähig gemacht.
Im Grunde könnten sie den Rückzug antreten.
»Nur dass unsere Verbände acht Kilometer südlich der Straße Beirut–Damaskus stehen«, sagt Benny. »Die Syrer rechnen mit einem Frontalangriff, sie wissen, dass wir sie aus dem Land treiben wollen, aber unsere Rechnung, sie würden angesichts unserer großmächtigen Präsenz den Schwanz einziehen, scheint nicht aufzugehen. Wenn sie jetzt noch Boden-Luft-Raketen vom Typ Sam-6 in Stellung bringen, wird es jedenfalls, na, ich würde sagen, fast ein bisschen brenzlig.«
Was wird Begin da tun?, fragt sich Uri.
Besser gefragt, wozu wird Arik den Premier drängen?
Er versucht, den Dicken einzuschätzen.
Und im Gegensatz zu seinen Kameraden kann er das sogar. Arik ist der älteste Freund seines Vaters. Einer seiner besten. In den vergangenen Jahren ist der Kontakt zwar etwas eingeschlafen, aber in Uris Kindheit war Arik oft bei ihnen zu Hause.
Ganz klar, denkt er, Arik wird versuchen, im Kabinett die Zustimmung für einen Angriff zu erwirken. Er wird die Bekaa-Ebene mit Luftschlägen überziehen wollen, um die syrischen Raketenstellungen auszuschalten, und die Syrer werden alles daransetzen, sie zu schützen.
Soll heißen, israelische F-4 Phantoms gegen syrische MIG s.
Merkavas gegen T-72-Panzer.
Mann gegen Mann.
Krieg.
Was bedeutet, dass Israel jetzt an zwei Fronten kämpfen muss: einer palästinensischen und einer syrischen.
»Gibt’s keinen Alkohol im Haus?«, will Chaim wissen.
»Nichts dergleichen gefunden«, sagt Amos.
»Ich vermisse ein Bier. Mann, ich sag’s euch. Das wär’s jetzt. Ein schönes, kaltes, beschlagenes Bier.«
Uri vermisst Yael.
Er vermisst auch Anastasia, aber auf eine ertappte, beschämte Art.
Weil er vermisst, was es nicht gibt.
Anderthalb Länder von zu Hause entfernt muss er sich eingestehen, eine Person herbeizusehnen, von der er dachte, sie geheiratet zu haben, um festzustellen, dass sie nie existiert hat. Anastasia ist eine Oberfläche, die dazu einlädt, Wünsche auf sie zu projizieren.
Wie eine Kinoleinwand.
Sie zeigt dir alles, aber dahinter ist nichts.
Oder vielleicht doch. Ein Wesen mit dem Selbstbezug einer Katze. Anastasia interessiert sich immerhin für Anastasia.
Und mit etwas Glück für ihre Tochter.
Er weiß, würden sie nach Tel Aviv ziehen, in eine schicke Gegend, wo sie sich in den richtigen Läden blicken lassen und das richtige Zeug kaufen könnte, ihre Ehe ließe sich schönreden. Sex haben sie ja, und nicht mal schlechten, wenn auch seit Yaels Geburt deutlich seltener.
Aber Tel Aviv –
Wie bitte schön sollen sie sich Tel Aviv leisten?
Abgesehen davon, dass er gerne auf dem Land wohnt. Und wahrscheinlich, seien wir mal ehrlich, würde auch Tel Aviv nichts ändern. Die Seifenblase würde nur ein bisschen später platzen.
Es sind solche Gedanken, die ihn forttreiben von der bizarren
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