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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Poolparty, wo halbe Kinder unter Anleitung Erwachsener fremde Kühlschränke plündern. Er wandert zwischen den Trakten des Anwesens hindurch, ein kleines Stück in die Natur hinein, seine Waffe im Anschlag. Laut Benny ist die Umgebung sauber, aber man kann nie wissen.
    Ein Pfad führt hinauf zu einem Schuppen.
    Von dort muss man eine großartige Aussicht haben.
    Und tatsächlich, das Tal öffnet sich und gibt den Blick frei auf das ferne Meer, wo ein Streifen Dunst die Grenze zwischen Wasser und Himmel aufzulösen beginnt.

    Uri schaut eine Weile hinaus.
    Duftmoleküle wehen heran, Kiefernnadeln, Blüten, trockene Erde.
    Und etwas, das den Eindruck verdirbt.
    Süßlich penetrant.
    Ein Tierkadaver, ist sein erster Gedanke. Irgendwo hier in den Büschen muss ein Tier verendet sein.
    Die erschossenen Hunde kommen ihm in den Sinn. Er geht ein paar Schritte zurück und sein Blick fällt auf den Schuppen.
    Unschlüssig steht er davor.
    Betritt ihn.
    Starrt auf den Mann, der im Halbdunkel auf dem Rücken liegt und zurückstarrt, im Gegensatz zu Uri mit keinerlei Erkenntnisgewinn mehr.
    Seine Brust ist dunkel verfärbt.
    Die Fliegen summen ihm ein monotones Lied.
     
    »Wie kommst du eigentlich mit alldem hier klar?«, fragt er Chaim später, als sie auf der Terrasse sitzen und Ravioli aus der Dose löffeln.
    »Was meinst du? Physisch?«
    »Nein, nein.« Uri lässt den Finger an der Schläfe kreisen. »Hier.«
    Chaim kaut eine Weile.
    »Wie schon? Einigermaßen.«
    »Hast du ’n Trick?«
    »Trick nicht direkt. Ich sage mir, es ist alles nur inszeniert. Ist es ja auch, in gewisser Weise.«
    »Und das reicht dir als Schutz?«
    »Bislang hat’s gereicht.« Chaim spießt eine Teigtasche auf, schiebt sie sich in den Mund. Tomatensaft läuft ihm übers Kinn. »Und du? Wie kommst du damit klar?«
    »Na ja. Ich sag mir, so ist eben Krieg.«
    »Hm.«
    »In etwa so, wie ein Arzt in der Notaufnahme die ganze Sauerei unmittelbar zu sehen bekommt. Und dann noch drin rumschnippelt. Ohne kotzen zu müssen. Weil es halt Teil deines Berufs ist, solche Dinge zu sehen und zu riechen. Die Schreie zu hören.«
    »Das Sterben mit anzusehen«, nickt Gidon.
    »Das Leiden.«
    »Ich denke, es läuft über Akzeptanz«, sagt Mordechai. »Keinen Widerstand aufbauen. Solange du versuchst, irgendetwas nicht zu sehen, siehst du es erst recht. Versteht ihr? Darum drehen so viele durch. Weilsie dagegen ankämpfen.« Er stellt seine leere Dose weg. »Und glaubt mir, ich hatte echt Schiss – zerfetzte Körper, Tote, all das –«
    »Ich auch«, sagt Uri. »Dass es mich in den Schlaf verfolgt, aber komischerweise –«
    »Schmecken dir sogar diese Scheißnudeln.«
    Gelächter.
    »Wisst ihr was?«, nuschelt Gidon mit vollem Mund. »Der Tod wird ganz schnell gewöhnlich.«
    »Banal«, nickt Mordechai.
    »Ich frag mich eher, ob das alles hier Sinn macht.«
    Chaim hebt die Brauen. »Ob was Sinn macht?«
    »Na, das.« Gidon breitet die Arme aus, umfasst, was man vom Libanon sieht. »Der Einsatz und so.«
    »Warum fragst du dich das?«
    »Du etwa nicht?«
    Chaim wischt sich mit dem Ärmel über den Mund. »Ich interessiere mich nicht für Politik.«
    »Aber du vertrittst sie.«
    »Mein Gewehr vertritt sie. Mein Panzer vertritt sie. Ich bin nur der Typ, der abdrückt.«
    »Und du fragst dich gar nicht, wofür du das machst?«, wundert sich Mordechai.
    »Na, für Israel.«
    »Ich meine, fragst du dich nie, ob es richtig ist?«
    »Wozu? Solange ich funktioniere, überlebe ich. Fange ich an, Fragen zu stellen, funktioniere ich nicht. Soll ich mich ernsthaft daran abarbeiten, warum ich an diesem 9. Juni in einer Villa im Libanon sitze und Ravioli esse? Was Herr Begin und Herr Scharon sich dabei gedacht haben? Warum ich mit einem Sturmgewehr in der Hand durch die Häuser von Menschen latsche, die ich nicht kenne und von denen ich nicht weiß, ob sie noch leben, und falls sie tot sind, ob ich sie erschossen habe? Und falls ja, ob es richtig war? – Ich kämpfe für dich, du kämpfst für mich. Wir vier in unserem Panzer, jeder für den anderen. Ende der Sinndiskussion. Wenn ich einen von euch verliere, wenn ich nicht verhindern kann, dass er abkratzt – dann, Leute, und nur dann , bin ich im Arsch.«
    Lehnt sich zurück, verschränkt die Arme hinter dem Kopf und schließt die Augen. Die untergehende Sonne vergoldet sein Gesicht.
    Solange ich funktioniere –
    Und was, wenn ich irgendwann nicht mehr funktioniere?, denkt Uri.
    Was geschieht dann mit mir?

    Und mit einem

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