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hängender Zunge hinterherzurennen. Er muss begreifen, dass es besser ist, Kontakt mit den Guten aufzunehmen, als sich von den Bösen erwischen zu lassen. Im Moment wird er kaum einen Unterschied sehen. Falls er es war, der dem Toten in Mea Schearim seine Papiere entwendet hat, weiß er jetzt beispielsweise, dass unter den Bösen auch Polizisten sind.
Wem soll er noch trauen?
Wir trauen uns ja selbst nicht. Und so richtig die Guten sind wir auch nicht, denkt sie weiter, während sie den Lift zur Tiefgarage nimmt.
Wir wollen ihn schließlich verhaften.
Dennoch, es muss einen Weg geben, an ihn ranzukommen.
Dieser Deal mit Pini Silberman –
Die Schlägerei im Parkhaus –
Silbermans Flucht –
Irgendwo dort könnte der Schlüssel liegen.
Sagt Yael Kahn ihm, was los ist?
Also, Tom, folgendermaßen: Der Moshe und der Aaron sind schwer angepisst, nachdem du deinem Redakteur gegenüber hast durchblicken lassen, du wüsstest bla bla – und mich haben die auf dem Kieker, weil –
Wäre auch zu schön gewesen.
Sie sagt: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Sie lassen sich von zwei Typen willig ins Schlepp nehmen –«
»Willig?«
»– beinahe entführen und erzählen mir, Sie hätten keine Ahnung ?«
»Ich hab aber keine.«
Wusch, wusch, doppelhalsige Laternenmasten, Verkehrsschilder, überholen, überholt werden.
Ben-Gurion-Autobahnkreuz.
Die gordische Verknotung der Zubringer, kaum vom Gas, A4 nach Aschdod.
Braune, platte Landschaft.
Platte, braune Landschaft.
Strommasten zur Auflockerung.
Nichts, was von einem konstruktiven Gespräch ablenken sollte, doch Kahn beharrt auf ihrer Ahnungslosigkeit, und Hagen ist zu lange Journalist, als dass ihm entginge, wenn jemand lügt.
So kommen wir nicht weiter, denkt er.
»Wer ist Yossi Backenroth?«
Ihre Kinnlade klappt herunter. Da hat er ja schon mal was gelockert, und sei es nur das Kiefergelenk.
»Sie kennen ihn?«
»Wir – haben mal zusammengearbeitet.«
»Noch Kontakt?«
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Als ich vor sechs Jahren ins Tel HaShomer gewechselt bin –«
»Vom Hadassah?«
»Ja.«
Interessant. »Sie waren Kollegen? In der Neurologie?«
»Jetzt reicht’s aber langsam.«
»Ich kann Sie auch gern zurück ins Parkhaus bringen, wenn Ihnen meine Gesellschaft nicht zusagt. Möchten Sie Ihr Leben in einem Kleintransporter beschließen?«
»Was soll das, Sie verdammter Idiot? Was ist mit Yossi?«
»Nichts. Er ist tot.«
Schlagartig ändert sich die Atmosphäre. Sie wird noch blasser, als sie ohnehin schon ist. Starrt vor sich hin.
»Viel wollten die mir nicht verraten«, sagt Hagen. »Eigentlich nur, dass er einen Unfall hatte.« Schaut sie an, lässt einen Moment verstreichen. »Oder auch nicht.«
»Oder auch nicht?«, echot sie schwach.
»Na ja, überlegen Sie mal. Sie wurden in ein Auto gezerrt, und ich glaube nicht, dass die Ihnen nur die Vorzüge der Innenraumbelüftung demonstrieren wollten. Meiner Meinung nach hätten Sie am Ende des Tages auch einen Unfall gehabt. Also spucken sie schon aus, was Sie mit Yossi verbindet. Abgesehen von dem, was jeder nachlesen kann.«
Kahns will etwas sagen, stockt.
Ihre Augen weiten sich. Sie schlägt eine Hand vor den Mund. Gerät sichtlich aus der Fassung. Hagen will ins Lenkrad beißen, wenn ihr nicht gerade etwas so Elementares aufgegangen ist, dass sie ihm in drei Sätzen das ganze deprimierende Ausmaß seiner Probleme darlegen könnte, nur dass ihr der Schock zu tief in der Kehle sitzt.
»Was ist?«, fragt er.
Sie spreizt alle Finger. Schließt die Augen. Schüttelt den Kopf, als versuche sie aufzuwachen.
»Frau Kahn. Reden Sie mit mir.«
»Nein.« Ballt die Hände zu Fäusten. »Das kann nicht wahr sein. Nicht nach so langer Zeit.«
»Was kann nicht wahr sein? Lassen Sie mich teilhaben.«
»Teilhaben?«
Sie wendet ihm ihr Gesicht zu. Hagen hat schon vor Wohnzimmerwänden gestanden, die weniger weiß waren.
»Warum sollte ich Sie an irgendwas teilhaben lassen?«
»Warum? Ich bin der Typ, der Ihnen das Leben –«
»Ach ja?« Sie lacht schrill. »Vielleicht sind Sie aber auch die Traufe nach dem Regen. Das größere Problem.«
»Sie werden mir wohl vertrauen müssen.«
»Vertrauen Sie mir denn?«
»Nein.«
»Großartig. Ich weiß weder Ihren Namen noch wo wir hinfahren.«
»Tom Hagen. In mein Hotel nach Aschdod.«
»Und? Wer sind Sie ?«
»Journalist. Bis gestern Abend noch guter Dinge. In Jerusalem unterwegs, eine Story in Arbeit. Über Ariel Scharon.
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