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Dann werden wir überfallen, sie foltern meinen Freund –«
»Sie?«
»Erschießen ihn –«
»Wer sind sie ?«
»Ich – weiß – es – nicht!«, schreit er. »Alles, was ich weiß, ist, dass die Ihren Namen genannt haben! Yael Kahn. Und den von Yossi Backenroth, weil sie der Meinung waren, wir hätten miteinander gesprochen, dabei wusste ich nicht mal, dass Sie und irgendein Yossi Backenroth überhaupt existieren .«
Kahn sieht jetzt richtig fertig aus. Kein Zweifel, in ihrem Kopf schieben sich Puzzlesteine ineinander, und was sie da zu sehen bekommt, lässt sie um ihr Leben fürchten, auch das steht ihr ins Gesicht geschrieben.
Hagen kennt den Ausdruck nur zu gut.
Todesangst.
»Ich muss erst –«, stammelt sie. »Ich kann jetzt nicht –«
»Doch«, schnauzt er. »Offen gesagt, mir sind Ihre Befindlichkeiten egal. Was hatten oder haben Sie mit Ariel Scharon zu schaffen?«
»Lecken Sie mich am Arsch.«
Die folgenden zehn Minuten ist kein Wort aus ihr herauszubekommen. Dann scheint sie sich gefasst zu haben.
»Ich bin in dem Team, das ihn betreut.«
»Wen? Scharon?«
Sie nickt. »Vor sechs Jahren war ich im Hadassah angestellt. Ich und Yossi. Als Assistenzärzte in der Neurologie. Arik kam –« Stockt. »Also, Scharon, er hatte diesen leichten Schlaganfall, deswegen war er bei uns, und zwei Wochen später noch mal, als er die Hirnblutung erlitt.«
Eine Ackerlandschaft zieht vorbei. Lange, aneinandergereihte Streifen, braun, dunkelbraun, tiefgrün, ocker. Wie ein riesiges Kunstwerk liegen sie in der Ebene.
»Hatten Sie direkt mit ihm zu tun?«
»Nicht direkt. Nachdem er ins Koma fiel, wurde er wie wild operiert. Schädeldecke geöffnet, Luftröhrenschnitt, Absaugen von Flüssigkeit, Teilamputation des Dickdarms, Tage und Wochen ging das so. Manches war notwendig, anderes irrwitziger Aktionismus. Währenddessen wechselte ich ins Tel HaShomer, kleiner Karrieresprung, außerdem hatte ich schon länger keine Lust mehr, jeden Tag nach Jerusalem zu fahren. Yossi blieb im Hadassah, unsere Wege trennten sich. – Jedenfalls erwartete ich nicht, Scharon wieder zu begegnen.«
»Und dann?«
»Wurde er zu uns verlegt. Kam in den Flügel für Langzeit-Komapatienten.«
»Und dort betreuen Sie ihn bis heute?«
»Ich und ein paar andere.«
Schornsteine, Silos, schwarz gegen den dräuenden Wolkenhimmel. Container wie Klötzchen übereinandergestapelt. Kräne, Schiffssilhouetten, dahinter der graue Streifen des Meeres. Sie passieren den Hafen von Aschdod, biegen auf die HaTayelet ein, die Strandstraße.
»Und das ist alles?«
»Damals wurden Fragen laut. Warum sie Scharon nach seinem ersten Anfall so schnell entlassen hatten. Er sollte ja operiert werden, zwei Wochen später. Am Herzen.«
»Wozu das?«
»Weil er ein offenes Foramen ovale hatte, möglicherweise die Quelle der Embolie. Aber statt ihn im Krankenhaus zu behalten, ließen sie ihnauf seine Ranch fahren. Dort stand ihm kein leitender Arzt zur Seite, auch das wurde bemängelt. Lediglich eine Pflegekraft erschien zweimal täglich und spritzte ihm Clexane, um ihn zu antikoagulieren –«
»Bitte so, dass ich’s verstehe.«
»Blutverdünner. Damit sich bis zur OP keine Gerinnsel mehr bilden konnten. Das Problem mit Blutverdünnern –«
Was immer das Problem mit Blutverdünnern ist, es rauscht an Hagen vorbei.
Weil er weiß, was das Problem mit Polizeifahrzeugen ist.
Vor allem, wenn sie vor seinem Hotel parken.
Schon von Weitem kann er sie sehen.
Zufall?
Soll er mit seinem Mietwagen, dessen Kennzeichen sie nach der Auswertung der Flughafenvideos längst ermittelt haben dürften, dort vorfahren, in die Rezeption latschen und fragen, ob sie ihn auf der Buchungsliste schon gefunden haben?
Ganz sicher nicht.
Vor ihm rundet sich die Straße zu einem palmenbestandenen Kreisverkehr, Fügung des Schicksals. Er fährt eine 180-Grad-Kurve und wieder zurück.
»Warum wenden wir?«
»Das Zimmermädchen hat gewechselt.«
»Hä?«
»Das neue trägt Uniform. Hören Sie zu, wir –« Er überlegt fieberhaft. »Wir werden einen anderen Wagen brauchen. Was ist mit Ihrem?«
(Saudumme Idee, Tom. Was, wenn sie auch ihr Kennzeichen in die Fahndung gegeben haben?)
»Ich besitze kein Auto.«
»Gut, dann –«
»Kein eigenes. Wir teilen uns einen Mini.«
»Wer ist die andere Hälfte von dem Wir?«
»Alena. Meine Mitbewohnerin.«
»Sie leben zu zweit?«
»Ja, stellen Sie sich vor.« Sie funkelt ihn an. »Wir wollten die Wohnung haben. Für einen zu
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