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meine, acht Millionen Menschen! Mehr sind’s nicht. So viele Stellen in Krankenhäusern sind nicht zu besetzen, und der Bedarf an Praxen –«
»Red nicht um den heißen Brei rum«, unterbricht ihn Yael.
»Wieso? Was red ich denn?«
»Es geht doch nicht darum, ob einer von uns hier eine Stelle kriegt.«
»Sondern?«
»Dass der Zug abgefahren ist. Kein Frieden, keine Lösung in Sicht. Keinerlei Perspektive. Niemand hat eine Idee. Scheiß auf die Angebote, klar kriegst du einen Job. Wir haben eine Zukunft, die Frage ist, ob dieses Land eine Zukunft hat! Ob wir hier wirklich alt werden wollen.«
Itzik will.
Die anderen –
Jetzt wird so richtig am Lack gekratzt, und natürlich haken die Journalisten nach. Nun kommen sie doch, die Fragen, wie es sich lebt in einem Klima fortgesetzter Bedrohung, umgeben von Feinden, unterwandert von Selbstmordattentätern.
»Scheiße lebt es sich«, konstatiert Yael. »Was denn sonst?«
»Und es gibt keinen Politiker, der das ändern –«
»Wenn wir Politikern vertrauen, haben wir bald kein Land mehr«, sagt Itzik. »Sie geben es weg, und wofür?«
Oslo sei aber doch ein mutiger Schritt gewesen.
»Und was ist dabei rausgekommen?«, fragt Liz.
»Immerhin ein Friedensabkommen.«
Yael muss schallend lachen. Fühlt ihre Stimmung kippen und kann nichts dagegen machen.
»Von welchem Frieden redet ihr? Wir haben ja nicht mal Frieden im eigenen Land. Wenn Rabin noch leben würde, okay, dann hätten wir Frieden. Der hätte das hinbekommen. Aber so?«
Alle nicken. Bei Rabin sind sie sich einig, sogar Itzik, und der steht ziemlich weit rechts.
»Ihr habt eine Demokratie«, sagt der Journalist. »Die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten, und da soll es nicht möglich sein, Verbesserungen zu erkämpfen?«
Erkämpfen. Wie hübsch.
»Ja, wir haben eine Demokratie«, sagt Yael.
»Also könnt ihr Einfluss nehmen und –«
»Eine Demokratie, in der Premierminister erschossen werden.«
Schweigen. Weniger, dass jemand über den Einwand erschrocken wäre, es hat eher den Charakter einer Gedenkminute.
»Was wollt ihr hören?«, schnauzt Yael die Journalisten an. »Wie treu wir zu unserem Land stehen? Kämpferische Israelis, die sich nichts gefallen lassen? Wackere Zionisten? Meine Generation wurde von vorne bis hinten beschissen, das kannst du schreiben. Wir hatten nie eine Wahl. Wir sind mit der Arschkarte auf die Welt gekommen.« Lässt die flache Hand auf die Tischplatte klatschen, steht auf. »Ich weiß ja nicht, was ihr macht. Ich fahr jetzt nach Jerusalem.«
Tanzen. Auf Tuchfühlung.
Das Testosteronpaket heißt Elior. Überraschend kindliche Stimme, fast schon rührend, aber die Ausbeulung in seiner Hose spricht dafür, dass man mit ihm eine Menge Erwachsenenspaß haben kann.
Sie tanzen, bis im Haoman 17 das Rausschmeißerlicht angeht.
Stolpern durch Konfettischnipsel, herumkollernde Flaschen und Plastikmüll nach draußen.
Autsch! Hell.
Nehmen ein Sherut, ein Sammeltaxi, die ganze Truppe. Im Höllentempo brettert der Wagen zurück nach Tel Aviv, als wolle es der aufsteigenden Sonne entkommen.
Oh, Elior ist gut. Noch besser als erwartet. Es ist wunderbar mit ihm, und sie genießt jede Sekunde, denn sie weiß, den Nachmittag und den Abend wird sie am Boden eines Lochs verbringen.
Das ist einfach so, wenn man zu depressiven Schüben neigt.
Also fliegt sie, so lange sie kann.
Gaza, Elei Sinai
Jehuda begutachtet die Arbeiten am fünften Gewächshaus.
Beziehungsweise, er begutachtet den Stillstand der Arbeiten am fünften Gewächshaus. Entlang der Baustelle stapeln sich Stahl-Aluminium-Streben und Hunderte originalverpackter S3-Kunststoffplatten, flattern Folien im Wind, liegt Werkzeug im Dreck herum.
»Wo sind die Monteure?«, fragt er Ilias verwundert.
»Nicht gekommen.«
»Hat wenigstens mal einer angerufen?«
»Du weißt doch, wie die sind.« Der Vorarbeiter zuckt die Achseln. »Palästinenser halt.«
Als wäre er nicht selber einer, aber Jehuda ist klar, was er meint. Das alles erinnert an den Ausbruch der Intifada Ende der Achtziger. Einmal mehr sind die Araber im Gazastreifen hin und her gerissen. Opponieren gegen die Besatzung, zugleich sind sie froh um jeden Job, den ihnen die Siedler geben, so wie hier die Arbeitslosigkeit grassiert. Man arrangiert sich, kommt sich näher, und plötzlich bleiben sie weg.
Weil sie Angst haben.
Und zwar nicht vor den Siedlern. Sie ängstigen sich vor ihrer Führung, die mal wieder zur Jagd auf
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