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Kollaborateure bläst, und wie schnell wird man zum Kollaborateur! Sag einem Juden die Uhrzeit, schon bist du einer. Davon, ins Kahn’sche Gewächshaus zu fahren und dir dort dein Einkommen zu sichern, wollen wir gar nicht erst anfangen.
Jetzt ist wieder etwas im Gange.
Seit über einem Jahr erzittert Israel unter immer neuen Schockwellen der Gewalt, werden Siedler attackiert, fliegen Busse in die Luft, detonieren Bomben auf Märkten und in Cafés. Arafat wird nicht müde, die Anschläge zu verurteilen und fleißig Terroristen einzubuchten, nur sind die immer verdächtig schnell wieder draußen und tauchen ab in den Untergrund. In Jerusalem kommen sie kaum noch damit nach, den Palästinenserpräsidenten an seinen Friedensnobelpreis zu erinnern, der seinerseits feststellt, Israel verschleppe die Abkommen, wen wundere es, dass sich der Frust in Gewalt entlade.
»Vielleicht solltest du endlich auf jüdische Arbeitskräfte umschwenken«, sagt Ilias und lächelt. »Abgesehen von mir natürlich.«
»Du kennst meine Einstellung.«
»Ja, ich kenne deine Einstellung. Aber im Moment bringt sie dich nicht weiter als bis hierhin.«
Hält die Hand so hoch, wie die Umfriedung des Fundaments reicht, auf dem das Treibhaus längst hätte entstehen sollen.
30 Zentimeter.
Und leider muss Jehuda ihm recht geben. Auch wenn arabische Arbeiter nur die Hälfte dessen kosten, was Juden verlangen. Auch wenn er es als seine Pflicht ansieht, den Menschen in der Region zu helfen. Diemeisten hier leben in bitterer Armut, betreiben eine archaische Form des Ackerbaus, die kaum genug abwirft, um sie und ihre Familien über Wasser zu halten. Die Korrumpierbarkeit der Autonomiebehörde, der Zank zwischen Hamas und Fatah, die ständigen Zusammenstöße mit Israels Sicherheitskräften, all das trägt wenig dazu bei, im Gazastreifen eine funktionierende Wirtschaft in Gang zu setzen.
Wir siedeln auf diesem Gebiet, denkt Jehuda.
Wir tragen Verantwortung.
Sein Blick wandert über die verödete Baustelle.
Eigentlich bräuchten sie gar kein fünftes Gewächshaus. Mit den bestehenden vier kämen sie prima hin. Jahr für Jahr reifen darin eine halbe Million Zwiebeln heran für den Export nach Amerika. Der Ertrag würde reichen, ihn, Phoebe und die acht Angestellten zu versorgen, die den kleinen Betrieb am Laufen halten.
Wären da nicht Miriam und Yael.
Gut, Miriam ist verheiratet, in Efrat, einer Siedlung südöstlich von Jerusalem. Mit einem Rabbi. Einem sehr liberalen, sehr aufgeschlossenen Rabbi. Glückliche Familie, zwei Kinder, allerdings chronisch klamm.
Und Yael?
Mag biologisch ihre Enkelin sein, de facto haben sie das Mädchen großgezogen. Während seine leibliche Mutter in Tel Aviv neuen Wirtstieren nachstieg, taten sie in Elei Sinai alles, um der Kleinen die Eltern zu ersetzen. Nach geschickter Heirat und noch geschickterer Scheidung ist Anastasia jetzt in der Lage und sogar willens, ihren Anteil beizusteuern, nur dass Yael sich schon kratzen muss, wenn bloß Anastasias Name fällt. Sie verachtet ihre Mutter, also finanzieren er und Phoebe Yaels Studium und ermöglichen es ihr, in einem hübschen Appartement zu wohnen statt einer von intelligenten Pizzaresten besiedelten Studenten- WG .
So viel zum fünften Gewächshaus.
Die Intifada ist im kollektiven Gedächtnis Elei Sinais abgelegt wie ein Stapel unerfreulicher Fotos in einem Pappkarton. Man weiß, was drauf ist, aber solange man den Karton nicht öffnet, muss man sich nicht damit befassen.
Damals wurde hier geschossen.
Einige Siedler postierten sich mit Scharfschützengewehren am Ortsrand und feuerten wahllos in Gruppen Jugendlicher, die Steine warfen. Bei Fahrten ins Umland, zum Checkpoint oder zum Meer schossen sie aus gepanzerten Geländewagen auf alles, was ihnen bedrohlich erschien, es herrschten Sitten wie im Wilden Westen.
»Man schießt nicht auf Menschen«, sagte Jehuda damals.
»Sie greifen uns an.«
»Mit Steinen.«
»Wir müssen uns verteidigen, oder willst du, dass sie in dein Haus eindringen, deine Frau vergewaltigen, euch alle umbringen und den Ort niederbrennen?«
Dialoge wie aus einem B-Movie.
»Mensch, sie werfen Steine .«
»Hätten sie Waffen, würden sie uns töten.«
»Sie haben aber keine.«
»Noch nicht.«
»Außerdem, wenn jemand Steine wirft, heißt das nicht automatisch, dass er dich umbringen will.«
Avi Farhan, Jehudas Freund und Siedlerführer aus Jamit, sah das genauso und mahnte zur Besonnenheit, doch sie antworteten
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