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fordert, dich einen Verräter nennt, Fanatiker dein Haus belagern, kabbalistische Todesflüche über dich verhängen, radikale Prediger unverhohlen dazu aufrufen, dich zur Strecke zu bringen, sozusagen als heilige Pflicht.
Da steht er nun auf dem Podium, von der Hetze gezeichnet.
Und singen kann er auch nicht.
Aber er singt.
Seine sonore Stimme verirrt sich in die falsche Oktave, als er das Friedenslied intoniert, doch sie wird getragen von einem Chor aus zigtausend Kehlen. Möglich, dass er am Ende seiner Kräfte ist, ein geschlagener Mann sieht anders aus, und die Menge, die auf dem Platz der Könige Israels in Tel Aviv zusammengeströmt ist, um ihn als ihren Helden zu feiern, zeigt ihm, dass er gewonnen hat.
Wie viele mögen hier versammelt sein?
100 000? 150 000?
Bedarf es noch eines Beweises, dass die überwältigende Mehrheit Israels hinter ihm steht?
»Erlauben Sie mir –« Er holt Atem, räuspert sich. »Erlauben Sie mir zu sagen, dass ich tief bewegt bin.«
Schon das reicht ihnen zum frenetischen Zwischenapplaus. Spruchbänder werden gereckt. Die Hauswände werfen seine Stimme zurück, er selbst dürfte am meisten überrascht sein, wie kraftvoll sie klingt nach dem Spießrutenlauf der letzten Monate.
»Jedem Einzelnen möchte ich danken, der heute gekommen ist, um gegen Gewalt und für den Frieden zu demonstrieren. Diese Regierung, der ich zusammen mit meinem Freund Schimon Peres vorstehe, hat beschlossen, dem Frieden eine Chance zu geben – einem Frieden, der die meisten Probleme Israels lösen wird.«
Seine Worte steigen in die Nacht empor, erlangen unter dem freien, nächtlichen Himmel universelle Bedeutung.
»Gewalt unterhöhlt die Basis der israelischen Demokratie. Sie muss verurteilt und isoliert werden. Das ist nicht der Weg des Staates Israel.«
Sie jubeln ihm zu. Schwenken ihre Transparente. Zentimeter um Zentimeter, den seine Gegner versucht haben, ihn zu beugen, richten sie ihn wieder auf, und Yael denkt, das ist wohl gerade der glücklichste Moment seines Lebens.
Was empfindet er nach all der Schikane?
Genugtuung?
Nein. Nicht der Typ für Genugtuung. Sein Elixier ist die Hoffnung. Die treibt ihn voran. Er gibt sie an andere weiter, scheint endlos davon zu haben. Sie hört zu, wie er ehemaligen Feinden dankt, das israelische Volk für seinen Friedenswillen lobt, den Spagat wagt und sogar Jassir Arafat als Partner auf dem Weg in eine friedliche Koexistenz würdigt, wie er die Menschen darauf einschwört, einen schmerzlichen Weg zu gehen, weil es für Israel nie einen Weg ohne Schmerzen gab.
»Aber der Weg des Friedens ist dem des Krieges vorzuziehen. Ich sage das zu Ihnen als jemand, der Soldat war und den Schmerz der Familien israelischer Soldaten sieht. Für sie, für unsere Kinder, für unsere Enkel möchte ich, dass diese Regierung jede Gelegenheit ergreift, um den Frieden zu fördern und zu erreichen. Selbst mit Syrien wird es möglich sein, Frieden zu schaffen.«
Und auch das glauben sie ihm aufs Wort. An diesem Abend könnte er diplomatische Beziehungen mit der Hölle in Aussicht stellen, sie würden begeistert nicken.
»Unsere Kundgebung hier ist eine Botschaft an das israelische Volk«, schließt er. »An die jüdischen Menschen überall auf der Welt, an die vielen Menschen in der arabischen Welt, an die ganze Welt, dass die Israelis den Frieden wollen und ihn unterstützen. Dafür danke ich Ihnen.«
Dann singen sie auf dem Podium – er, die Parteifreunde, seine Frau.Nie hat er in der Öffentlichkeit gesungen. Er könne nicht singen, stimmt, aber jetzt will man ihn singen hören, wie er an diesem kühlen Novemberabend seinen Text vom Papier abliest, und das Volk auf dem Platz fällt mit ein, beschwört in einem beinahe sakralen Akt die magische Formel für eine bessere Welt.
Er lächelt, winkt in die Menge, wendet sich ab.
Vorsicht, denkt sie.
Nicht zum Parkplatz, nicht.
Nein!
Zu spät, er steigt bereits die Stufen hinter der Bühne herab, sie wird Zeuge, wie die Menschen ihn in ihrer Begeisterung fast erdrücken, von seiner Frau trennen, die auf der Treppe zurückbleibt. Das Bad in der Menge tut ihm sichtlich gut, er schüttelt Hände, steuert auf den silbernen, gepanzerten Cadillac zu, wo sein Fahrer wartet, den Schlag öffnet, Peres an seiner Seite. Sicherheitsleute schirmen ihn ab. Journalisten hoffen auf ein paar Worte ins Mikro, Fans, die es bis auf den Parkplatz geschafft haben, gehen auf Tuchfühlung. Mit einem Fuß bereits im Wagen, registriert
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