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Nichtgeständigen auf eine Weise zu verhören, dass sie zu dem Schluss gelangten, alles sei besser, als weiter den Harten zu spielen.
Wenig davon funktioniert in den Siedlungen.
Dreyfus ist weiß Gott nicht zu beneiden, denkt Perlman. Wir brauchen mehr Informationen. Warum Samael mit solch panischer Brutalität vorgeht. Klar, sie fragen sich, was Hagen gegen sie in der Hand hat, sie müssen das Schlimmste annehmen. Auch von Yael Kahn. Offenbar kann die Ärztin sie belasten, vielleicht enttarnen.
Ihre größte Angst.
Perlman starrt in sein Glas.
Leer.
Er sollte nicht noch eines bestellen. Morgen muss er frisch sein.
Er bestellt noch eines.
Noch eines –
– noch eines –
Falsch!
Die Enttarnung wäre das Zweitschlimmste.
Das Schlimmste wäre, zu einem Zeitpunkt aufzufliegen, da eine neue Aktion bevorsteht.
Dann hätten sie tatsächlich Grund zur Panik.
2000
Kiryat Arba
»Arik!« Sie skandieren seinen Namen. »Arik! Arik! Arik!«
Wo immer er in diesen Tagen hinkommt, feiern sie ihn, auch hier in Kiryat Arba, Hochburg der nationalreligiösen Siedler im Herzen Gusch Emunims. Unglaubliches Gedränge herrscht in den Straßen, sie jubeln ihm zu, tanzen vor Freude, Männer mit Bärten und Kippa, kleine Jungs mit Schläfenlocken, Frauen mit Kopftuch.
In Kiryat Arba kann er sich ungeteilten Zuspruchs sicher sein.
Und den braucht er.
Denn Arik will Premierminister werden.
Er ist es dem Land, sich selbst und Lily schuldig, und dazu braucht er die Unterstützung der Religiösen und Siedlerführer.
Wie es scheint, hat er sie.
Jetzt.
Vor zwei Jahren sah das noch anders aus.
Während Netanjahu orientierungslos durch seine Amtszeit taumelte, flirtete Arik mit Ideen, die im religiösen Lager auf wenig Gegenliebe stießen. Sprach von Zugeständnissen an die Araber, lud Arafats Stellvertreter Mahmud Abbas zu sich nach Hause ein und lernte einen nachdenklichen Mann im Anzug kennen, der die Fortsetzung der Friedensgespräche für alternativlos hielt und Mozart liebte.
»Sie auch?«, sagte Arik überrascht.
»Oh ja. Wir haben uns viel zu erzählen.«
Und schon waren sie mittendrin.
»Sehen Sie, das meine ich«, sagte Abbas nach einer Weile des Fachsimpelns. »Wie können wir etwas verändern, bevor wir einander wahrnehmen? Nicht als Feinde, als Menschen. Wenn ein Israeli und ein Palästinenser die Liebe zu solcher Musik teilen, sollten sie dann nicht auch in der Lage sein –«
»Frieden zu schaffen«, ergänzte Arik.
Der griesgrämig dreinschauende Pragmatiker begann ihm sympathisch zu werden. Doch solange Arafat fest im Sattel saß, würden sie mit Abbas nicht weiterkommen. Dennoch hielten sie den Kontakt aufrecht, was bei den Nationalreligiösen für gewaltiges Unbehagen sorgte. Sie riefen Arik seine Worte aus vergangenen Tagen ins Gedächtnis: Alle Araber – auch Abbas! – eine das Bedürfnis, Israel zu zerstören, Terror gehöre zum palästinensischen Volkscharakter, Arafat sei ein Kriegsverbrecher, und dass der Likud jedes Abkommen mit der PLO bekämpfen werde.
Sie fanden, Arik leide unter Gedächtnislücken.
Doch Arik entsinnt sich sehr wohl.
Netanjahu ist gescheitert, Baraks Popularität sinkt auf den Nullpunkt, plötzlich kommt ihm alles wieder in den Sinn. Mehrfach schon haben sich die nationalreligiösen Siedler als brauchbare Verbündete erwiesen, und nichts hassen sie mehr als die Vorstellung, Land für Frieden zu opfern und Jerusalem zu teilen, wie Ehud Barak es fordert.
»Fordert?« Benjamin lässt den Blick über die Menge wandern, die sich im Innenhof des Gemeindezentrums drängt. »Wer oder was legitimiert ihn, Derartiges zu fordern? Wer ist denn Ehud Barak? Ein Ausputzer! Ein Lakai der Amerikaner! Einer, der nichts gelernt hat aus dem Scheitern von Oslo, der uns zu Schritten gegen die Thora nötigen will, nur werden wir uns keinen Millimeter gegen die Thora bewegen. Juden werden jüdisches Land nie abgeben. Sie werden keinen einzigen Stein der heiligen Stadt Jerusalem abgeben.«
Er wartet, bis der Applaus verklungen ist.
Auf dem Stuhl neben ihm sitzt Arik mit Kippa.
Schweigt und lächelt.
»Barak ist aus der Not heraus Ministerpräsident geworden, so wie alles, was er tut, aus der Not entsteht. Er will Frieden. Wie originell. Wollen wir etwa keinen Frieden? Doch wie erreicht man Frieden, ohne sein eigenes Fleisch und Blut zu opfern? Aus einer Position der Stärke heraus. Barak aber hat etwas Hilfloses, Verzweifeltes. Und ein Führer, der verzweifelt, muss den Platz frei
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