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Wochen bepflastert eine anonyme Gruppe militanter Abzugsgegner die Hauswände Jerusalems damit. Man kann es als verklausulierte Morddrohung betrachten, Ariks Betroffenheit hält sich in Grenzen. Seit er Haaretz vergangenes Jahr gesteckt hat, ganz Gaza und Teile des Westjordanlands räumen zu wollen, sind zu viele offene Drohungen eingegangen, als dass die versteckten noch Eindruck auf ihn machen würden, auch wenn es ihn verletzt, seine tote Frau mit hineingezogen zu sehen.
»Die sollen sich gefälligst an mir schadlos halten«, knurrt er. »Statt Lilys Andenken zu entwürdigen.«
»Darum geht es.« Avi Dichter reicht ihm einen Zettel herüber. »Meine Empfehlung wäre, unverzüglich einen Wachdienst einzurichten.«
Arik überfliegt den Wisch.
Nicht zu fassen.
»Was für eine kranke Bande«, schnaubt er.
Unbekannte kündigen an, Lilys Leichnam aus ihrem Grab auf dem Wildblumenhügel zu rauben, falls er es wagen sollte, die Abkopplung in die Tat umzusetzen.
»Sie müssen das ernst nehmen«, sagt Dichter.
Arik nimmt es todernst.
Seit Rabin kann es sich kein israelischer Politiker leisten, noch die abstruseste Drohung in den Wind zu schlagen. Außerdem ist Dichter nicht irgendwer, sondern Chef des Schin Bet. Während der zweiten Intifada hat er Agenten bis tief in die Autonomiegebiete geschickt, Tausende Kollaborateure angeworben und gegnerische Netzwerke infiltriert. Dichter hält große Stücke auf HUMINT , Erkenntnisbeschaffung aus menschlichen Quellen. Erst mit Hilfe der so gewonnenen Informationen konnten sie Targeting zu einem effizienten Modus operandi entwickeln. Lange Zeit wuchsen dem Widerstand nach Art der Hydra für jeden Kopf, den sie abschlugen, zwei neue nach, jetzt liegt das Ungeheuer kopflos am Boden, und das Beste daran:
Der einzige Kopf, den Arik versprechen musste, nie abzuschlagen, hat von selbst die Augen geschlossen. Jassir Arafat ist tot. Gestorben, vergangenen November in Paris, woran auch immer.
»Ohne unser Zutun«, hat Dichter danach versichert. »Da waren wir zur Abwechslung mal unschuldig.«
Arik vertraut ihm. Menschenrechtler bekommen Schnappatmung, wenn Dichters Name fällt, egal, er hat Israel vor noch Schlimmerem bewahrt. Das zählt, außerdem ist er ein Freund des Trennzauns. Gemeinsam haben sie dessen Verlauf festgelegt, auch wenn Arik das Ding eigentlich anwidert, Veras Erzählungen im Ohr, wie sie in Kfar Malal die Drähte durchgeschnitten hat, die das Grundstück der Scheinermanns teilen sollten. Er hasst alles Teilende, besonders Zäune, aber man muss sagen, sie halten Terroristen fern, auch wenn er sich dafür in aller Welt Ohrfeigen einfängt: Verletzung der Grünen Linie, Apartheid – bei der UNO schöpfen sie aus einem nie versiegenden Quell harscher Worte.
»Sonst noch was?«, fragt er gleichmütig. »Androhung von Folter, Ausreißen von Zehennägeln?«
»Das Übliche.«
»Gut.«
»Bis auf –« Dichter zögert. »Ich weiß, Sie hören das nicht gerne, aber es ist mein Job –«
»Mich darauf hinzuweisen, dass Sie die Entkopplung ablehnen.«
Weil Dichter befürchtet, der Abzug werde der Hamas im politisch instabilen Gazastreifen erst recht den Boden bereiten: Seht her, die Zionisten sind vertrieben! Der heilige Weg der Gewalt hat gefruchtet, ladet die Kalaschnikows durch, Brüder in Allah, füttert die Mörser, bringt die Abschussrampen in Stellung!
Wahrscheinlich hat er damit sogar recht. Ohne Zweifel wird der Abzug der Hamas Prestige eintragen, zumal gegenüber der von Machtkämpfen erschütterten, bis auf die Knochen korrupten PA .
»Und wir haben keinerlei Zusicherungen erhalten«, sagt Dichter.
»Doch«, erwidert Arik. »Von Abbas.«
Der nach Arafats Tod endlich Vorsitzender der PA sein darf, ohne dass der Rais ihm noch dazwischenfunken kann. Vor zwei Wochen war denn auch Versöhnungstreffen im ägyptischen Scharm el-Scheich, Palaver und Tamtam unter Leitung Mubaraks und Abdullahs von Jordanien. Bush saß mit am Tisch und wachte aus zusammengekniffenen Augen darüber, dass sich alle sittsam betrugen und einander ihrer guten Absichten versicherten, und gemessen am Wohlklang der Versprechungen war die Konferenz tatsächlich ein überwältigender Erfolg.
Sie besiegelte das Ende der Intifada.
Mitsamt großen Gesten. Zwei weißhäuptige Mozartfans schüttelten sich über Blumenbuketts die Hände, Arik entließ als Zeichen seines guten Willens ein paar Hundert palästinensische Gefangene, Abbas verurteilte jeden Akt der Gewalt.
Mit Nachdruck!
»Das
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