Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
widerhallendes Klagen.
    Ist noch jemand hier außer ihm?
    Der Neugierde halber richtet er sich auf – und erkennt, dass er selbst es ist, der da weint und wimmert wie ein Waschweib, und sofort wird ihm schlecht vor Selbstekel.
    (Widerlich. Memme!)
    Aber im Tunnel versauern mit sich und seinem Gejammer will er jetzt auch nicht mehr. Am Ende wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als beladen mit Schmach nach Hause zu tapern, wo ihn gewiss fürchterlicher Ärger erwartet, weil er Rachels Opel Blitz kaputt gefahren hat, aber gut, damit ließe sich leben, nur, der Spott, der Spott –
    Er rappelt sich hoch.
    Schmerz fährt durch seinen Knöchel, als habe jemand mit einer Axt hineingehauen.
    Wieder stürzt er der Länge nach hin.
    Oh Gott, was ist passiert? Wasser schießt ihm in die Augen, sein Bein, was ist mit seinem Bein? Wie soll er je wieder aus dem Tunnel gelangen, er kann nicht auftreten, er wird hier unten –
    Stutzt.
    Etwas ist an sein Ohr gedrungen.
    »Hallo?«, wimmert er.
    Sollte doch noch jemand hier sein außer ihm?
    »Hallo?«

    Keine Antwort.
    Er blinzelt mit nassen Lidern, hebt den Oberkörper. Das Halbrund des Tunnels scheint in Auflösung begriffen, überstrahlt von weißem Licht, das seinen Kopf flutet, nur noch Schemen kann er sehen vor lauter Tränen, gar keine Einzelheiten mehr, dafür aber –
    Die Gestalt.
    Benjamin vergisst seine Schmerzen. Mit offenem Mund starrt er auf die Erscheinung.
    Sie schwebt im Licht, gesichtslos, ein Engel.
    Ein dunkler Engel, der sich rasch nähert.
    Die Arme ausbreitet.
    Sich mit schattenhaften, schlagenden Schwingen über ihn beugt.
    Und Benjamin wird klar:
    Das war’s.
     
    Das war’s natürlich nicht.
    Aber wenn deine Augäpfel in Tränen schwimmen, weil dein Knöchel zersplittert und dein Schienbein gebrochen ist, hältst du selbst eine adipöse österreichische Kunstmalerin für ein geflügeltes Ungeheuer. Auf Benjamin jedenfalls wirkte sie wie ein in Licht gebadetes Höllenwesen, das seine Klauen ausfuhr, um ihn zu packen und ins Totenreich zu verfrachten.
    Was trug die aber auch für Umhänge –
    Ein Windstoß musste in den Tunnel gefahren sein, als sie sich näherte, und die Unmengen Stoff auf eine Weise gebläht haben, dass sie anmuteten wie gewaltige Schwingen.
    Prrffft –
    Die dicke Frau Stadler und Schwingen.
    Na, er konnte froh sein, dass sie an jenem Nachmittag von Kfar Saba über die Feldwege zurück zum Moschaw wanderte, weil der Arzt ihr zu mehr Bewegung geraten hatte. Womöglich hätte er noch Stunden da unten gelegen. Es war nämlich nicht lustig, was er sich mit seiner Schussfahrt eingebrockt hatte. Wie schlimm es war, erfuhr er zwar erst später, schon weil sie vermieden, ihm die Wahrheit zu sagen, aber irgendwann kam er natürlich von selbst drauf.
    Den Fuß kannst du vergessen.
    Ende der Apotheose.
    Ein Held wirst du in diesem Leben nicht mehr.
    Die Sache hatte insofern ihr Gutes, als nun alle schrecklich besorgt um ihn waren. Niemand schimpfte ihn aus. Rachel war froh, dass ersich nicht den Hals gebrochen hatte, was die verzogene Lenkstange ihres Opel Blitz mehr als aufwog. Schalom schien ihn gar neu zu entdecken. Dass hinter all den Büchern, Moby Dick, Seewolf, Gullivers Reisen, Winnetou, ein kleiner Junge steckte, war ihm zwar gelegentlich aufgefallen, nur dass der Genügsame in sich selbst zu verschwinden droht, und gegen Jehudas muntere Umtriebigkeit wirkte Benjamin schon regelrecht durchscheinend.
    Jetzt stand er plötzlich im Mittelpunkt.
    Viel wichtiger aber: Niemand verspottete ihn.
    Und das, obwohl er ihnen die Steilvorlage geliefert hatte.
    Doch die Jungen im Moschaw wirkten beschämt. Irgendwie schienen alle begriffen zu haben, dass sie ihn mit ihrer Herablassung erst zu der Wahnsinnstat getrieben hatten. Also lachte niemand über ihn, und wer doch meinte, despektierlich die Fresse verziehen zu müssen, bekam sie von Arik und Jehuda schneller zurechtgerückt, als er Pardon sagen konnte.
    Das Triumvirat hielt zusammen.
    Einerseits.
    Andererseits konnte Benjamin nun nicht mehr Rad fahren, keine weiten Strecken gehen, schon gar nicht rennen oder auf Bäume klettern, nichts von alledem tun, was Jungen seines Alters als Hauptbeschäftigung dient, also war er nicht mehr so oft dabei.
    Bald fielen ihm auch die einst so geliebten Draufgänger in seinen Büchern lästig.
    Sein Blutsbruder Queequeg, der brutal-charismatische Wolf Larsen, der eitle Old Shatterhand. Er konnte ihr heldenhaftes Getue, ihren strotzenden physischen Output

Weitere Kostenlose Bücher