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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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Laufen, Schwimmen und Schnürsenkelbinden beigebracht hat, ein Mörder ist. IhrVater ist einer der nettesten Menschen auf Erden, genau wie sie selbst. Oh Gott, was heißt das denn dann auf mich übertragen? Wenn mein Vater einer der grausamsten Menschen ist – was bin ich dann?
    »Darf ich deine Hand halten?«, frage ich. Das sind die einzigen Worte, die mir in meinem Zustand in den Sinn kommen.
    Bea nickt und streckt mir ihre Hand hin.
    Wir bewegen uns extrem vorsichtig, um nicht vorzeitig von der Armee geschnappt oder gar von einem Scharfschützen erschossen zu werden. Je südlicher wir kommen, desto höher liegt der Schnee und desto schwieriger wird es, sich den Weg durch die engen Straßen zu bahnen. Besonders heikel sind die großen Kreuzungen, die Trümmerfelder oder ehemaligen Parkplätze, die wir überqueren müssen, denn dort können wir leicht gesehen werden  – wenn nicht von Soldaten, dann von irgendwelchen durchgeknallten Ausgestoßenen.
    Meine gebrochenen Rippen tun weh und ich hab rasende Kopfschmerzen, doch ich lass mir nichts anmerken. Ich möchte, dass Bea mir vertraut und auf mich zählt. Mit der einen Hand umklammere ich sie, mit der anderen ein Messer. Für alle Fälle.
    Als es Abend wird und unsere Beine fast steifgefroren sind, hören wir plötzlich ein Geräusch. Sofort bleiben wir stehen und lauschen. Und als wir ganz sicher sind, dass es ein Panzer ist, drehen wir die Ventile unserer Sauerstoffflaschen auf, bis der Füllstand gefährlich weit abgesunken ist. Unsere Geschichte wäre nicht glaubhaft,wenn wir mit vollen Flaschen aufgegriffen würden. Dann laufen wir dem Panzer direkt in den Weg. Rumpelnd kommt er zum Stehen, und fast im selben Moment klappt die Luke auf, wie ein gefräßiges Maul. Bea reißt ihren Schal ab und beginnt, wie wild damit zu winken, damit sie gleich wissen, dass wir uns ergeben. Als Erstes erscheint ein Gewehr, dann ertönt eine Stimme.
    »Runter auf den Boden! Und die Hände in den Nacken! Beide. SOFORT!«
    Noch vor zwei Tagen hätte ich dieses martialische Getue für völlig albern und übertrieben gehalten und dem Gewehrheini irgendwas Abfälliges zugerufen, aber jetzt lege ich mich, ohne zu murren, mit dem Gesicht in den Schnee und warte, dass man mich fesselt.
    Als die Handschellen zugeklickt sind, zerrt man uns zum Panzer und befiehlt uns reinzuklettern. Drinnen warte ich noch einen Moment, aber sobald der Gewehrlauf nicht mehr drohend auf meinen Kopf gerichtet ist, beginne ich meine Ich-bin-Premium-und-total-entrüstet-Show.
    »Wenn mein Vater das hört, dann können Sie sich auf was gefasst machen!«
    Die Soldaten gucken sich überrascht an.
    »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie viele Panzer an uns vorbeigefahren sind, ohne anzuhalten? Wir haben uns tagelang draußen rumgeschleppt.«
    »Du bist ein Premium?«, fragt der Soldat mit dem Gewehr im Schoß.
    »Na, was glauben Sie? Sehe ich vielleicht aus wie ’n Second?«
    Der Soldat reckt seinen Hals und gafft mein Ohrläppchen an.
    »Soll ich jetzt auch noch die Hose runterlassen, damit Sie mich so richtig durchchecken können?«, blaffe ich, woraufhin der Typ regelrecht zusammenschrumpft und einen Kollegen vorschickt.
    »Wer bist du?«, fragt mich dieser.
    »Ich bin Quinn Caffrey, der Sohn von Jude Caffrey. Den werden Sie wohl kennen. Ist ’n ziemlich hohes Tier bei BREATHE.«
    Im Nu ist es totenstill und alle Panzerinsassen starren mich an. Der Name meines Vaters hat in diesem Panzer – und in diesem Krieg – offenbar Gewicht. Und mein Name ebenfalls. Jetzt hört man Füßescharren und Getuschel.
    »Der Name sagt Ihnen sicher was, oder? Hören Sie, ich bin von RATTEN festgehalten worden. Ich will jetzt nur noch eines: schnellstmöglich nach Hause. Können Sie uns zurück zur Kuppel fahren?«
    »Funkkontakt herstellen!«, ruft irgendjemand, woraufhin nach hektischem Gewühle zwei oder drei Soldaten gleichzeitig nach dem Funkgerät greifen. Wenig später bekommen sie tatsächlich meinen Vater zu fassen. Sie brauchen mehrere Minuten, um ihm klarzumachen, dass sie seinen Sohn mitten in der Kampfzone aufgegriffen haben, zusammen mit einer jungen Second. Dabei klingt es so, als müssten sie ihn erst mal daran erinnern, dass er überhaupt einen Sohn hat. Wegen des Rauschens im Funkgerät und der Gewehrsalven, die die Stimme meines Vaters immer wieder übertönen, versteheich zwar nicht jedes seiner Worte, aber ich kann doch klar heraushören, dass er vollkommen ungerührt klingt. Selbst nachdem sie ihm

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