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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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hoffen, dass dort zumindest andere Menschen zugegen sein werden, als Zeugen, und dass sie dadurch etwas weniger gefährdet sind.
    Ist er immer noch im Haus? Haben die wilden Jungen und Mädchen ihn bewusstlos geschlagen, ihn gefesselt – ihn getötet? Michael späht nach links und rechts, hin und her. Er sieht einen Postboten und einen Mann, der fremde Hunde ausführt, acht, neun, vielleicht sogar zehn Tiere, klein und braun, schwarz und weiß, groß, zottig und grau. Eine Tagesmutter schiebt einen Buggy mit einem Regenschutz aus Plastik vor sich her. Darin sitzt ihr Passagier wie ein winziger Papst, die dicken Fingerchen gespreizt.
    Und da ist Twisden. Er hockt auf der Stoßstange eines ramponierten alten Volvo, der direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite parkt. Twisden kann sein, wo er sein will. Er kann sich diese Kinder holen, wann immer er meint, die Zeit sei reif dafür.
    So geschmeidig wie ein Schatten, der sich an einer Wand entlangbewegt, rutscht er von der Stoßstange.
    Die Fifth Avenue ist kaum mehr als fünfzig Meter weit entfernt, und sie rennen auf der Südseite der Straße darauf zu, während Twisden auf der Nordseite mit ihnen Schritt hält.
    »Daddy, Daddy!«, schreit Alice. »Lass uns in Ruhe!«
    Ihre Rufe wecken die Aufmerksamkeit einiger Passanten. Manche starren herüber, aber niemand versucht, sich einzumischen oder einzuschreiten.
    »Komm einfach her«, ruft Twisden über den Verkehrslärm hinweg. »Okay? Komm schon, Schatz. Was soll das eigentlich? Wovor hast du Angst?«
    »Vor dir, Daddy«, brüllt Alice zurück. Ihr Gesicht rötet sich, doch trotz ihrer Emotionen gerät sie nicht aus dem Tritt. Die drei laufen sogar immer schneller – es geht darum, zur Ampel an der Fifth Avenue zu gelangen, bevor sie auf Rot umspringt.
    »Genau, Dad«, brüllt Adam, ermutig durch den Ausbruch seiner Schwester. »Verpiss dich!«
    »Adam!«, ruft Twisden und springt fast vor den klapprigen Lieferwagen eines Klempners. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden!« Dann steht er auf der anderen Straßenseite, die geballten Fäuste an den Hüften, und schüttelt missbilligend den Kopf.
    Michael hat den Eindruck, dass irgendetwas Twisden daran hindert, sich die Kinder einfach zu greifen. Offenbar hat er Angst davor, was andere dann sehen, was sie denken oder gar tun könnten. Deshalb besteht sein Plan wohl darin, die drei zu zermürben, indem er mit ihnen Schritt hält, damit sie ihm nicht entwischen können, bis eines der Kinder oder beide, womöglich sogar Michael selbst, vor Erschöpfung kapituliert. Vielleicht ist es ja das, worin der Todestrieb besteht – nicht in einem Getriebenwerden hin zum Tod, sondern in der brutalen, unerbittlichen Realität des Todes, die am Leben nagt, bis dieses schließlich einfach zerbricht.
    »Kommt schon, rasch«, sagt Michael, zieht die Kinder vorwärts und rennt mit ihnen über die Fifth Avenue, gerade als die Fußgängerampel auf Rot schaltet und die Herde von Automobilen ihren Angriff startet, als müsste sie nie wieder stoppen, nachdem sie diese Ampel passiert hat. Ärgerliches Hupen ertönt, da einige Fahrer eine zusätzliche halbe Sekunde darauf warten müssen, dass Michael und die Zwillinge die Westseite der Straße erreichen.
    Hier ist der Gehweg relativ schmal. Daneben verläuft die blassgraue Steinmauer, die den Ostrand des Central Park begrenzt. Zwischen dem Gehweg und der Mauer stehen Holzbänke, frisch hellgrün lackiert und großteils von jungen Frauen aus der Karibik besetzt, die sich mit Kapuzen, Schals, Ohrwärmern und Handschuhen gegen die Kälte geschützt haben und miteinander plaudern, während sie ihre ebenfalls gut eingewickelten Schützlinge im Blick behalten. Einige dieser jungen Frauen mit ihren einsamen Augen und ihrem müden Lächeln blicken auf, als Michael und die Zwillinge an ihnen vorbeilaufen. Michael klettert als Erster über die Mauer, hinter der er in ein Gestrüpp aus riesigen, kahlen Forsythiensträuchern gerät. Um sein Gleichgewicht kämpfend, streckt er die Arme über die Mauer, ergreift Alice unter den Achseln und hebt sie hoch.
    Twisden ist da, näher denn je. Er kommt den Gehweg neben der Mauer entlang, die Hände in den Taschen und mit gespitzten Lippen, als würde er pfeifen. Wie hat er so plötzlich aufgeholt? Kann er sich tatsächlich so flink bewegen? Und wenn er es kann, welche Hoffnung gibt es überhaupt?
    Wie um diese Frage zu beantworten, sobald sie Michael in den Sinn gekommen ist, ist Twisden nun nur noch

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