Breed: Roman (German Edition)
gelangen, aber alle brüllen wie die Irren, um sich Mut zu machen, während sie auf den Vater von Adam und Alice zustürmen. Angst haben sie keine; sie tun, was ihnen ihre Natur gebietet.
»Daddy!«, ruft Alice und streckt instinktiv die Hände nach Alex aus, bis sie den Ausdruck in seinen Augen sieht und zurückschreckt.
Einer nach dem anderen stürzt sich die furchtlose Bande aus Ausgestoßenen auf Alex. Er wehrt sich mit den Händen, den Füßen, den Ellbogen, doch trotz seiner Kraft und seiner Unbarmherzigkeit – überall ist Blut, manche der Jugendlichen weinen – wird er seine Angreifer nicht los.
»Los, kommt«, sagt Rodolfo und schiebt Michael und die Zwillinge tiefer in sein altes Haus. »Wir hauen ab.« Vorbei an Max und Emily und an den beiden Taubeneltern, die immer noch traurig herumhüpfen und mit den Flügeln schlagen, führt er sie zu einer Sperrholzplatte, mit der die Glastür zum Garten verbarrikadiert worden ist. Er reißt die Platte herunter – Nägel und Splitter fliegen umher –, dann tritt er einen Schritt zurück und rammt den Fuß durch Glas und Türstreben, bis eine Öffnung entstanden ist, die gerade groß genug ist, um hindurchzuschlüpfen. »Los«, sagt er mit erregt zitternder Stimme. »Der ist schwer aufzuhalten.«
Doch dann hält Rodolfo Alice an der Schulter fest. »Moment«, sagt er und schlägt mit dem Unterarm ein paar spitze Glasscherben aus dem Rahmen. Dann fordert er die anderen mit einem raschen Nicken auf, sich auf den Weg zu machen.
Adam ist der Erste, dann ist Alice an der Reihe. Sie flüstert
Danke
!, bevor sie sich durch die zerstörte Glastür wagt. Dabei schließt sie die Augen und hält die Arme ausgestreckt, um sich vor den gefährlich aussehenden Scherben zu schützen. Sie kommt sich vor, als würde sie direkt ins offene Maul eines Hais schreiten.
»So, Mann, jetzt Sie«, sagt Rodolfo zu Michael, der durch den Rahmen schlüpft, aber weil er größer als die Kinder ist, kann er den scharfen Spitzen des verbliebenen Glases nicht ganz entkommen. Als er auf dem schwammigen, halbgefrorenen Gras hinter dem Haus gelandet ist, zieht er mehrere dreieckige Splitter heraus, die tief in den Stoff seines Mantels eingedrungen sind.
Abgesehen von einem kleinen Rasenstück besteht der Garten aus einem verfallenen offenen Kamin, schrottigen Gartenmöbeln, einem steinernen Cupido, dem der Kopf fehlt, und zerborstenen Backsteinen, wo sich früher eine winzige Terrasse befunden hat. Das Gras, über das einmal eine Familie gegangen ist, die zumindest in ihrer Vorstellung glücklich war, ist völlig verwildert und mit verknoteten Ranken und üppigem Unkraut überwuchert. Halb bedeckt von der Vegetation ist ein Durcheinander aus Knochen, meist klein und schwierig zu identifizieren, aber bei einem handelt es sich eindeutig um ein Becken, und ein anderer ist ein kleiner Schädel mit langen Eckzähnen.
»Weiter!«, brüllt Rodolfo den dreien hinterher. Hinter ihm sieht man die undeutlichen Umrisse seiner Freunde, die ihr Bestes tun, um Alex aufzuhalten.
Über die Knochen stolpernd, laufen die Zwillinge und Michael auf ein hohes Holztor in der Ecke des Gartens zu, aber das ist zugedübelt, und sie müssen darüberklettern – kein Problem für Adam und Alice, aber eine Herausforderung für Michael, der es viermal probieren muss, während die Zwillinge, die nun unsichtbar auf der anderen Seite stehen, ihn mit wachsender Verzweiflung anfeuern.
Aber endlich – die Vorstellung im Kopf, dass Alex Twisden durch den Garten rennt und ihn an den Beinen packt – zieht er sich hoch. Seine Schuhspitzen klopfen hektisch an die Holzbretter, während er sich immer höher zieht, um kurz mit dem Knie auf der Oberkante des Tors zu balancieren, bevor er herabspringt. Er landet zwischen den Zwillingen, und dann stehen die drei einfach da und überlegen, was sie tun und wo sie hinsollen.
Gewohnt an Chaos, plötzliche Flucht und ständige Gefahr, haben Rodolfo und seine Bande sich in alle Richtungen zerstreut.
Michael atmet durch, dann sieht er Adam und Alice an. Deren Blicke sind vertrauensvoll auf ihn gerichtet, und dieses Vertrauen, das ihm kurz zuvor wie ein Segen vorgekommen ist, macht ihm nun eine Heidenangst. Wie kann er diese beiden je beschützen? Wie kann er auch nur wissen, ob er sie nicht direkt in die Arme ihres rasenden Vaters treibt? Wie kann er erfahren, ob er gerade dabei ist, sich für immer das eigene Leben zu ruinieren?
Die drei gehen zur Vorderseite des Hauses, weil sie
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