Breed: Roman (German Edition)
hat, dass er beschloss, sie einzupacken und nach New York befördern zu lassen.
Noch immer im Schlepptau der Sechstklässler, wenden die Zwillinge und Michael sich schräg nach rechts und betreten den ersten Raum der Luzifer-Ausstellung. Für Außenstehende gehören Adam und Alice zu der Klasse, und Michael hofft, entweder als Lehrer oder als begleitender Vater durchzugehen.
Direkt vor ihnen hängt das gewaltige Gemälde eines Säbelzahntigers, der unter einem tiefblauen Himmel durch die hellgrüne Savanne schreitet. Der Kopf des Tigers ist eckig wie der eines Pferdes, sein Maul steht offen, die Schneidezähne sind riesig und befleckt, offenbar von blutigem Fleisch. Die Augen wirken dunkel, ausgesprochen lebendig und erbarmungslos.
Alex hat sich entschlossen, nicht zu fliehen oder sich zu wehren, obwohl die Vorstellung, sich beißend und prügelnd durch die Wachleute zu kämpfen, so lebhaft und real ist, dass sie ihm wie eine Erinnerung vorkommt. Als die Männer immer näher kommen, hebt er die Hände und legt so viel Unschuld in seine Miene, wie er aufbringen kann.
»He, Leute, Leute, Leute, ganz ruhig, es tut mir leid«, sagt er in leicht verlegenem Tonfall.
»Wir müssen Sie bitten mitzukommen, Sir«, sagt der Mann mit dem Schlagstock, während er auf Alex zugeht. Er bewegt sich kontinuierlich vorwärts, hält jedoch seinen Metallstab vor sich, als besäße dieser magische Kräfte. Ihm ist aufgefallen, dass er es mit einem Mann zu tun hat, dessen linkes Auge so rot ist wie eine Schale Tomatensuppe.
Die anderen Wachleute, die jetzt alle schweigen, während sie sich Alex vorsichtig Schritt für Schritt nähern, bereiten sich auf eine Eskalation vor – einer hat Handschellen in der Hand, ein anderer hat einen Elektroschocker gezogen, und ein dritter zückt eine kleine silberne Dose Pfefferspray.
»Okay, Leute«, sagt Alex, »mir ist klar, dass ich ziemlich laut geworden bin, und das tut mir leid. Ich bin Anwalt.« Er will in seine Jacke greifen, hält jedoch inne. »Darf ich Ihnen meinen Ausweis zeigen?«
»Lassen Sie Ihre Hände so, dass wir sie sehen können, Sir«, sagt der Mann, der die Wachleute anführt.
»Gut, kein Problem. Ich verstehe. Aber Sie müssen auch etwas verstehen.« Alex spürt, dass einer der Männer sich ihm von hinten genähert hat. Er wirbelt herum und richtet einen so unerwartet machtvollen Blick auf den Mann, dass dieser einen Moment stehenbleibt.
»Ich bin wegen meiner Kinder hier«, sagt Alex. »Meine Kinder sind hier in diesem Museum – wo ich übrigens Mitglied bin und wo mein Vater im Kuratorium gesessen hat. Nicht dass das jetzt so wichtig wäre.«
Inzwischen haben sich etwa zweihundert Menschen versammelt, um zuzuhören und zu beobachten, wie das Drama sich entwickelt.
»Ich muss Sie bitten, sich zu beruhigen, Sir«, sagt der erste Wachmann. Er macht einen kleinen, vorsichtigen Schritt auf Alex zu.
»Ich bin ruhig. Und ich entschuldige mich für die …« Wofür? Das Wort ist verschwunden. Alex wird klar, dass seine Immunität gegen die Sprachstörung, die Leslie quält, allmählich schwindet. Falls Leslies Ausdrucksschwierigkeiten vorwegnehmen, was mit ihm geschehen wird, dann neigt sich seine eigene Fähigkeit, sich gewandt auszudrücken, dem Ende zu.
»Hören Sie mich doch an«, sagt er, obwohl er immer der Meinung gewesen ist, es sei ein ebenso krasser wie hoffnungsloser Ausdruck eigener Ohnmacht, wenn man darum bittet, angehört zu werden, ungeachtet Marcus Antonius’ Rede an das Volk.
»Nein, Sir, Sie hören mich jetzt an.«
Der Wachmann will Alex gerade am Handgelenk packen, als dieser das Zauberwort ausspricht. »Meine Kinder sind von einem Pädophilen gekidnappt worden, und der hat sie in dieses Gebäude geschleppt. Sie wollen mich hier rauswerfen – okay. Sie wollen mich ins Gefängnis stecken? Dann werde ich meine zehn Minuten in Haft verbringen. Aber währenddessen hat dieser Pädophile meine Kinder in der Hand, und ich will wissen, was Sie dagegen unternehmen werden.«
Es stellt sich heraus, dass die Sechstklässler von den verschiedenen Darstellungen des Bösen ziemlich begeistert sind, und bald führen einige respektlose Bemerkungen zu einer Flut von Kommentaren und Scherzen, was wiederum zu Geschubse, Gezerre und dem Einnehmen eindeutiger Posen führt – selbst im Zeitalter der Internetpornographie flippt die Hälfte der Kinder beim Anblick einiger gemalter nackter Brüste fast aus. Als die verantwortlichen Erwachsenen rasch erkennen, dass
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