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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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er. »Das weiß ich.«
    Michael erwidert gar nichts. In der Ferne sieht er Adam, der langsam des Weges kommt und dabei die Bänke abzählt.
    »Ich wüsste gern, was meine Kinder über ihre Eltern erzählt haben.«
    »Wovor haben Sie Angst? Was sollen die beiden denn nicht sagen?«
    »Versuchen Sie bloß nicht, mir auf die Zehen zu treten, Sie Schulmeister. Damit übernehmen Sie sich gewaltig. Ich verdiene mit so was meinen Lebensunterhalt. Regel Nummer eins: Stell keine Frage, wenn du nicht schon die Antwort kennst.«
    »Aber das tue ich ja«, sagt Michael. »Ich kenne die Antwort. Ich weiß genau, was Sie geheim halten wollen.«
    Twisden lacht. Michael überlegt, ob sein Gegner nur versucht, seine Gefühle zu verbergen, indem er so tut, als fände er alles ausgesprochen amüsant, oder ob er über das lacht, was gleich geschehen wird und was nur er wissen kann.
    »Sie sind tatsächlich schwul, stimmt’s?«, fragt Twisden plötzlich ganz ernst.
    »O ja. In der Tat. Extrem schwul. Schwul wie die Nacht. Stockschwul, turboschwul. Wieso? Mache ich Sie an?«
    »Hören Sie mal, Herr Schulmeister, Ihre Sexualität interessiert mich nicht. Aber wie jeder Vater werde ich nicht untätig herumsitzen, während ein schwuler Lehrer meinen Sohn von seiner Familie weglockt. Sie finden ihn attraktiv. Und inzwischen finden Sie vielleicht auch das Mädchen ein wenig … sagen wir mal: interessant.«
    »Sie sind ja völlig durchgedreht.« Michael will aufstehen. Er weiß, dass Adam immer näher kommt, und er will nicht nur von Twisden weg, sondern hofft auch entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass dieser noch nicht bemerkt hat, dass sein Sohn sich langsam nähert.
    Aber Twisden ist flink, und er ist stark. Er packt Michael an der Schulter und drückt ihn nach unten, als würde er den Hebel eines Zündkastens betätigen, um ein Bündel Dynamit zur Explosion zu bringen.
    »Warum so eilig? Meinen Sie etwa, ich sehe nicht, dass mein Sohn auf uns zukommt? Er ist mein Sohn.
Mein Sohn!
Es gibt nichts auf der Welt, was mir wichtiger wäre. Er gehört mir. Nicht Ihnen. Mir. Verstehen Sie mich? Das ist einfach von Natur aus so. Sie werden schon sehen. Vielleicht adoptieren Sie und Xavier eines Tages ein süßes, kleines chinesisches Baby, dann werden Sie staunen, wie Ihr Beschützerinstinkt hochkommt.«
    »Woher kennen Sie Xavier?«
    »Hmm«, sagt Twisden und tippt sich mit dem Zeigefinger ans Kinn. »Das ist eine ausgezeichnete Frage. Woher kenne ich Xavier?«
    »Was haben Sie mit ihm gemacht, Twisden?« Michael versucht erneut, aufzustehen, und diesmal gelingt es ihm, sich Twisdens Griff zu entwinden. Er blickt über die Schulter. Adam sieht ihn, und seinen Vater sieht er auch; er ist stehengeblieben, acht Bänke weiter. Etwa zwanzig Bänke von Michael entfernt kommt Alice heran. Mit gesenktem Kopf deutet sie auf jede Bank, um sie abzuzählen.
    Aus der entgegengesetzten Richtung hört er Rufe. »Alex? Liebling?« Es ist Leslie. Der Wind bläht ihren offenen Trenchcoat auf wie ein Segel, ihr Haar weht. Sie beginnt zu laufen.
    Michael wendet sich Alex zu, zieht sein Handy aus der Gesäßtasche und klappt es auf. »Ich rufe jetzt die Polizei.«
    Twisden steht langsam auf. Er ist etwa zehn Zentimeter größer als Michael, und er sorgt dafür, dass jeder Zentimeter dieses Vorteils zählt – Körperhaltung, Nähe, die spürbare Bereitschaft, Schaden anzurichten. Er versucht, Michael das Handy zu entreißen, bevor dieser den Notruf wählen und auf die grüne Taste drücken kann, doch Michael macht eine rasche Drehung, sodass er Twisden den Rücken zuwendet. Dieses Manöver ist insofern erfolgreich, als Michael damit sein Telefon schützt, aber in jeder anderen Hinsicht ist es das Fatalste, was er hat tun können.
    »Erinnern Sie sich daran, wie ich Sie im Büro von Mr. Fleming gegen die Wand gestoßen habe?«, fragt Twisden. »Schade, dass es hier keine Wände gibt.« Mit einem Wutschrei packt er Michael von hinten, hebt ihn an und stemmt ihn in die Höhe.
    »Alex!«, ruft Leslie, die das Schlimmste fürchtet.
    »Dad!«, schreit Adam. »Lass ihn in Ruhe!«
    Michael versucht, sich dem Griff zu entwinden, doch da er darin gefangen ist wie ein Fuchs in einer Falle, überkommt ihn eine Art Ruhe, eine Passivität, eine Erkenntnis, wie vergeblich es ist, sich zu wehren. Die Baumwipfel scheinen unnatürlich nah zu sein; ihre kahlen Äste bilden unzählige Risse in dem niedrigen grauen Himmel. Ein Passagierflugzeug, das gerade gestartet ist, verschwindet in

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