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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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einem Erwachsenen und zwei Kindern«, sagt Michael. »Wenn wir uns trennen, haben wir eine bessere Chance. Also hört zu. Findet einen Weg zum Ausgang, egal wie. Geht dann zum Parkeingang an der Eighty-Sixth Street und von da aus nach Süden. Kapiert? Geht möglichst nah am Museum auf dem Gehsteig nach Süden. Und zählt fünfzig Bänke ab. Alles klar? Wie viele Bänke?«
    »Fünfzig«, sagt Adam.
    »Fünfzig«, wiederholt Alice.
    »Das ist unser Treffpunkt.«
    »Und was dann?«, fragt Alice.
    »Das kriegen wir schon raus«, sagt Adam.
    »Ja«, sagt Michael, »ganz bestimmt. Das verspreche ich euch.« Zu seiner Überraschung schwankt seine Stimme. Sie ist nicht in der Lage, die ganze Last seiner Emotionen zu tragen. »Wir werden es herauskriegen.«
     
    Die drei ziehen ihre Jacken aus und lassen sie liegen, um sich von der Beschreibung, die Alex von ihnen abgegeben haben muss, zu unterscheiden. Adam geht nach rechts, Alice nach links, und Michael hofft, wie ein ganz gewöhnlicher Besucher auszusehen, der durchs Museum spaziert. Während er an antiker und fast antiker Kunst vorbeikommt, an koreanischer und chinesischer, bleibt er sogar ab und an stehen, um eine Vase, einen Löffel, ein fein genähtes orange-blaues Gewand zu bewundern. Sein Herz trommelt mit einer ebenso unglaublichen wie unerträglichen Geschwindigkeit, als wüsste es, dass der Moment des Todes nahe ist, und wollte die ihm vom Schicksal gewährten Schläge noch rasch aufbrauchen.
    Normal aussehen
, normal aussehen, schärft er sich ein.
    Während er, um einen Müßiggänger vorzugeben, das prächtige Gewand einer Kaiserwitwe betrachtet, berührt man ihn ziemlich brüsk an der Schulter – ein Mittelding zwischen einem Klopfen und einem Greifen –, und als er sich umdreht, sieht er eine Latina in Museumsuniform und einen Streifenpolizisten mit gerötetem Gesicht und Schnauzbart vor sich stehen.
    Michael schafft es, die beiden mit einer Mischung aus Neugier und Verärgerung anzublicken. Er hebt die Augenbrauen, wie um zu sagen:
Ja?
    »Ausweis«, sagt der Polizist mit der knappen Bestimmtheit eines Menschen, der allmächtig ist.
    Michael plappert in fließendem und sehr, sehr schnellem Französisch los, wobei er ständig hierhin und dorthin zeigt, in der Hoffnung, dass keiner der beiden diese Sprache spricht und dass sein Gestikulieren kompliziert genug ist, um zusätzlich Verwirrung zu erzeugen.
    Man muss den beiden irgendeine kurze Personenbeschreibung gegeben haben, doch der Eindruck, den Michael vermittelt – ein einzelner Mann, der Französisch spricht! – überzeugt die Wärterin und den Polizisten, dass sie mit ihm nur ihre Zeit vergeuden. Im nächsten Moment setzen sie ihre planlose Suche nach dem Pädophilen und seinen zwei kleinen Opfern fort.
     
    Inzwischen geht Adam an europäischen Skulpturen, islamischer Kunst und Musikinstrumenten vorüber, die Hände in den Taschen, mit schnellen Schritten und gebeugtem Kopf, als würde er nach etwas suchen, was er verloren hat. Als er eine ins Erdgeschoss führende Treppe entdeckt, bleibt er oben stehen und holt tief Luft.
Lass mich los, lass mich los
, flüstert er sich zu. Er hält sich am Geländer fest, das die Wärme Hunderter Hände gespeichert hat. Seine Beine zittern. Er zwingt sich zu einem fröhlichen Gefühl und tut den ersten Schritt. Unten sieht er Wachleute stehen, die ihn erwarten.
    Seine einzige Hoffnung ist, dass die Männer nach einem Erwachsenen mit zwei Kindern suchen und ein einzelnes Kind, das entspannt und glücklich die Arme hin-und herschwingt, passieren lassen.
     
    Zur selben Zeit kommt Alice an den europäischen Gemälden vorbei, an düsteren, melancholischen Rembrandts, an sich aufbäumenden weißen Pferden, von Rauch umhüllten Zinnen, aufgewühlten Seestücken, hoffnungsvollen Morgendämmerungen, geheimnisvollen Frauen in Umhang und Mantilla, hochmütigen Männern in beigefarbenen Reithosen und glänzenden Stiefeln. Sie zählt ihre Atemzüge und ist schon bei vierhundert angelangt. Als sie die Gemälde hinter sich gelassen hat, gerät sie in eine Galerie voller Statuen, einige bruchstückhaft, andere vollständig erhalten. Ist das Neptun? Ist das Pan? Ist das ein Wolf oder ein Hund? Hier herrscht ein Stimmengewirr, und Alice stößt wieder auf die Sechstklässler, die ihre Lehrerin und die begleitenden Eltern endlich vollständig zermürbt haben. Das scheint allen Schülern klar zu sein, die mit demütig niedergeschlagenen Augen im Gänsemarsch durch den Saal zockeln,

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