Breed: Roman (German Edition)
in einem anderen Behandlungszimmer wieder, das allem Anschein nach nicht oft verwendet wird.
Die Untersuchungsliege ist nackt; aus mehreren Rissen im Bezug quillt gelbliches Polstermaterial. Die Regale sind leer, und das einzige Poster an der Wand stammt offenbar aus der Praxis eines Akupunkteurs; es stellt einen menschlichen Rumpf dar, in dem auf allen Seiten Nadeln stecken. Bei seinem Anblick muss Alex an den heiligen Sebastian denken, den fünfzig Pfeile durchbohren, ohne ihn zu töten.
Er hört, wie Leslie schwach protestiert, und geht instinktiv zur Tür. Doch bevor seine Hand deren Klinke berühren kann, hört er ein seltsames, tickendes Geräusch, und als er sich umdreht, sieht er Zeus langsam über den Linoleumboden auf sich zukommen. Ein wahrer Vorhang aus Speichel hängt aus dem halb offenen Maul.
»Nein«, sagt Alex mit seiner gebieterischsten Stimme. Im Nebenzimmer hört er ein Handgemenge. »Zeus«, sagt er, dann fällt ihm ein: »Sitz!«
Stattdessen stößt der Hund Alex die Schnauze in die Weichteile. Alex presst sich an die Wand und versucht verzweifelt, wenigstens einen Zentimeter Abstand von dem Tier und seinem heißen, strengen Atem zu bekommen.
»Nein!«, schreit Leslie im Nebenraum. Es folgt ein hoffnungsloses Jammern.
Im selben Augenblick stellt der Hund sich auf die Hinterbeine, schlingt die Vorderpfoten um Alex’ rechten Oberschenkel und beginnt sich rhythmisch zu bewegen. Zeus rammelt los, unablässig stoßend. Aus seinem Mund und seinen Nüstern steigt Gestank auf, während sein leuchtend roter, glänzender Penis sich an Alex’ Hose reibt und sie völlig durchnässt.
Als sie endlich ins Hotel zurückkommen, hat der Regen aufgehört. An seine Stelle sind allerdings heftige, feuchte Böen getreten, die gewaltsam durch die Altstadt wehen. Selbst wenn Leslie und Alex etwas sagen wollten, würde das Geräusch des Windes sie übertönen, was ganz gut ist, weil sie momentan nicht in der Lage sind, sich auch nur in die Augen zu sehen.
Alex hat eine weiße Papiertüte in der Hand, in der sich zwei Glasröhrchen mit einer hellrosa Flüssigkeit befinden. Seine letzten Anweisungen hat Kiš auf Slowenisch gegeben, von dem süffisant grinsenden Reggie übersetzt. »Trinken Sie das, wenn Sie nach Hause kommen, und lassen Sie der Natur ihren Lauf.«
Das Hotel hat ein gemütliches kleines Businesscenter, wo den Gästen ein nagelneuer Computer zur Verfügung steht, und solange Leslie noch dazu in der Lage ist, setzt sie sich davor, um ihre E-Mails anzuschauen. Vor allem will sie sehen, ob etwas von ihrem Assistenten gekommen ist. Das ist nicht der Fall, und nach vorübergehender Bestürzung wird ihr klar, dass es zu Hause noch früh am Morgen ist. Dafür hat Cynthia eine E-Mail geschickt.
Euer Haus ist wirklich wuuuunderbar.
Da sie schon am Computer sitzt, versucht Leslie herauszufinden, was für ein Fisch die Grundel genau ist.
Wenige Momente später ist sie in ihrer Suite. Erschöpft von der Tortur des Nachtflugs, gefolgt von der wesentlich größeren Tortur des Besuchs bei Kiš, sinken die beiden auf ihr Doppelbett, bestehend aus zwei Matratzen mit einem straff gespannten Laken, und schlafen fast augenblicklich ein.
Sie liegen sich in den Armen, als sie in einem Raum erwachen, der rabenschwarz wäre, hätte nicht einer der beiden vergessen, das Licht im Badezimmer auszuschalten.
»Wo sind wir?«, flüstert Leslie.
»Frag nicht«, sagt Alex.
»Okay«, sagt sie, »sag’s mir nicht.« Sie blickt auf ihre Armbanduhr (Modell Tank von Cartier, Diner am dritten Hochzeitstag im Le Bernardin); es ist kaum zwei Stunden her, dass sie eingeschlafen sind.
Er beugt sich über sie, um sie zu küssen, doch sie zuckt zurück. Als er sie fragend ansieht, sagt sie: »Dein Atem.«
»Ich wollte es eigentlich nicht sagen«, erwidert Alex, »aber … deiner auch.«
Trotzdem fühlen sie sich ausgesprochen erregt. Von Kiš haben sie Anweisungen erhalten, ihr Sexleben so früh wie möglich wiederaufzunehmen. Nun, allein in einem Hotelbett in einer fremden Stadt – eine bessere Möglichkeit kann es nicht geben.
Sie springen aus dem Bett und laufen ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, den Mund auszuspülen und zu gurgeln. Alex fühlt sich irrsinnig jung, Leslies Lenden sind glutheiß. Sie erinnern sich an die Glasröhrchen, die Kiš ihnen gegeben hat, und Alex rennt ins Schlafzimmer, um die Papiertüte zu holen. Sie stoßen mit den Röhrchen an, als wäre es Champagner, dann stürzen sie das Zeug
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